Lisa geht zum Teufel (German Edition)
Play-Taste gedrückt. Tattatatahhhta tattatatata … Diese mächtige Tuba. Göttlich! Und wie schön das nach oben wummerte. Die Vibration war bis in ihren Bauch spürbar. Und es tat sich was. Ein dumpfer Schlag war trotz des Lärmpegels von oben zu hören. Da musste es jemanden aus dem Bett gehoben haben. Wie schön! Auf Wagner war Verlass! Ob sie sich bei ihr nun auch beschweren würden? So dreist konnten sie nicht sein. Sie könnte ja mal nachsehen, ob sich etwas tat. Mit einem lässigen Tippen auf die Wiederholungstaste ihres CD-Spielers, die Wagner nun in Endlosschleife legte, beschloss Lisa, den Raum zu verlassen. Der Lärm war selbst im Gang noch höllisch, doch die Ganzkörpervibrationen ließen deutlich nach. Wenn die beiden »vergessen« hatten, den Herd abzustellen, konnte ihr niemand übelnehmen, »vergessen« zu haben, den CD-Player auszuschalten. Dreistigkeit konnte ganz schön ansteckend sein. Im Garten war es bestimmt ruhiger, doch noch bevor sie die Haustür erreicht hatte, rumpelte Rafael in Unterhosen und T-Shirt auch schon die Treppe herunter.
»Guten Morgen«, schrie sie ihn an, um Wagner zu übertönen.
»Machen Sie das aus!«, brüllte er gegen den Lärm an.
»Ich denke überhaupt nicht daran!«, krächzte Lisa und hoffte inständig, dass er sich verzog. Ihre Stimmbänder fühlten sich bereits jetzt ziemlich angegriffen an.
Rafael wollte sich bereits an ihr vorbei in Richtung ihres Wohnzimmers drängen, doch Lisa stellte sich ihm in den Weg. Erst jetzt fiel ihr auf, dass an seinen Beinen und Armen keine Verletzungen von der vorabendlichen »Session« zu sehen waren. Sicher verdeckte das T-Shirt die Spuren der Peitsche, die seine »Meisterin« ihm auf dem Rücken zugefügt haben musste. Lediglich am Fußgelenk war eine rote Stelle zu sehen. Dass sie die Blessur bemerkte, schien Rafael sichtlich unangenehm zu sein.
»Na, tut’s noch weh?«, fragte sie keck.
Für jemanden, der auf harten SM-Sex stand, wirkte Rafael jetzt aber ziemlich unsouverän. Klar, er war ja auch der Sklave in seiner Beziehung. Wieder versuchte er, sich an ihr vorbeizuschieben, doch Lisa folgte seinen Bewegungen spiegelbildlich, um ihm den Weg abzuschneiden. Von außen betrachtet musste das so aussehen, als würden sie gerade einen neuen Gesellschaftstanz einstudieren, der im Wesentlichen darin bestand, mit dem Oberkörper parallel zueinander hin- und herzuschwingen – ein Zweikampf, den der »Walkürenritt« auf skurrile Weise auch noch rhythmisch perfekt orchestriert zu untermalen schien.
»Lassen Sie mich sofort vorbei, oder ich …«, brüllte er wütend.
»Oder was?«, schrie sie ihn gegen das orchestrale Inferno an.
Rafael hielt kurz inne, überlegte und winkte ab, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und unverrichteter Dinge nach oben stapfte. Vielleicht sollte sie die Musik jetzt ausschalten. Eine Lektion hatte sie den beiden sicher erteilt. Das reichte fürs Erste.
Die Ruhe im Garten war beunruhigend. Es herrschte morgendliche Stille und Harmonie, bis auf zwei Katzen, die durch ihren Zaun lugten. Sollten sie doch. Die verschwanden bestimmt gleich wieder. Sollte sie es wagen, doch noch ihr Buch aus dem Schlafzimmer zu holen, um die letzten Seiten zu lesen? Lisa verwarf den Gedanken sofort und beschloss, sich angesichts des frühen musikalischen Erfolgs erst mal genüsslich zu strecken, sich auf der bequemen Gartenliege zu rekeln, tief Luft zu holen und sich ein wenig zu entspannen. Am helllichten Tag würden die beiden Ruhe geben, außerdem mussten sie auch irgendwann mal schlafen. Da war er wieder, jener ruckartige erlösende Moment, in dem der Kopf nach hinten sackte. Man merkte erst, dass man kurz eingeschlummert war, wenn das Bewusstsein die Schaltkreise reaktivierte.
Lisa streckte sich. Dem Sonnenstand nach zu urteilen, musste sie um die zwei Stunden geschlafen haben. Was soll’s. So ein kleines Nickerchen machte sie oft im Urlaub. Lisa freute sich darüber, dass immer noch Ruhe im Garten herrschte. Nur warum standen Delia und Rafael an einem der Fenster des ersten Stocks? Kein Zweifel – sie beobachteten sie. Das Warum beantwortete sich gleich darauf von ganz allein. Ein Maunzen kam von rechts. Ein weiteres Miau von der anderen Seite. Lisa setzte sich ruckartig auf, und was sie sah, ließ ihr beinahe das Blut in den Adern gefrieren. Der Garten hatte sich während ihres Nickerchens in ein Katzenparadies verwandelt. Eine Gefleckte war am Zaun, eine schwarze Katze trank aus einem Schälchen gleich
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