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Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Titel: Lisa geht zum Teufel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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sich auch noch andere für »ihr Kleid«. In Sekundenschnelle flankierten sie zwei hübsche Endzwanzigerinnen vom Typus Frau, der sogar Kartoffelsäcke tragen konnte. Jetzt die Lesebrille aus der Handtasche zu ziehen, wäre zu riskant. Sie würde Gefahr laufen, sich mitleidigen Blicken und Kommentaren auszusetzen wie: »Die Alte hat sich bestimmt in der Abteilung geirrt«, oder: »Mutig«. Ausgerechnet heute hatte Lisa ihre flotte Designerlesebrille nicht dabei, sondern nur den »Notbehelf« für unterwegs, der weniger Platz in der Handtasche einnahm. Sie hatte das auf Größe eines Kugelschreibers faltbare Teil letztes Jahr nach der Londoner Buchmesse am Flughafen bei Boots gekauft. Die Brille war aus Plastik, hing am unteren Nasenflügel und machte einen schlagartig um mindestens zehn Jahre älter. Was für ein furchtbarer Gedanke!
    »Meinst du, das steht mir?«, fragte eine der jungen Frauen ihre Begleiterin, die mindestens genauso attraktiv war. Sie hatte etwas von Penelope Cruz, stellte Lisa fest.
    »Entschuldigung, dürfen wir das Kleid mal sehen?«, fragte Penelopes Freundin.
    Lisa blieb gar nichts anderes übrig, als es ihnen zur Begutachtung zu überlassen.
    »Es kann sein, dass ich es nehme«, machte Lisa sicherheitshalber klar, nicht dass ihre letzte Option dann auch noch weg war.
    »Die werden ja noch ein paar auf Lager haben«, erwiderte Penelope kess, bevor sie erst das Kleid und dann Lisa musterte. »Mir ist das zu farbenfroh. Aber Ihnen steht das, glaub ich.«
    Zynisch oder nett?
    »Meinen Sie wirklich?« Lisa musste sich einfach rückversichern.
    »Mit Ihrer schon leicht vorgebräunten Haut. Sie können sich solche Farben leisten. Außerdem bringt das Braun Ihre Augenfarbe schön zur Geltung.«
    Also doch nett gemeint, aber letztlich auch überaus peinlich. Die beiden hielten sie offenbar für eine Frau, die nicht wusste, was sie tragen konnte. Vielleicht sollte sie ihr Gegenüber jetzt auch noch gleich nach dem Preis fragen, so ganz nebenbei, überlegte Lisa. Penelope hatte schließlich vorhin einen prüfenden Blick auf das Etikett geworfen. Lieber nicht. Smartphone!, schoss es ihr urplötzlich durch den Kopf. Hatte es nicht letzte Woche ein Software-Update gegeben, das es ermöglichte, digitale Fotos auf dem Display zu vergrößern? Die neue Zoomfunktion war überhaupt die Idee ! Jetzt musste sie nur noch warten, bis die beiden Hollywood-Schönheiten weg waren. Ganz unauffällig zupfte Lisa am Ärmel des Kleids herum und tat so, als befühle sie den Stoff. Das Handy griffbereit. Ein Blick nach links. Einer nach rechts. Die Luft war rein. Preisschild knipsen, vergrößern, lesen, fertig. Das war’s! Zweihundertneunundvierzig Euro. Günstiger als gedacht und absolut im Rahmen ihres Budgets.
    »Was machen Sie da?«, blökte es ohne Vorwarnung so laut von hinten, dass Lisa vor Schreck fast ihr Telefon fallen gelassen hätte. Vor ihr plusterte sich eine dauerwellengelockte Matrone auf. Strenges Kostüm, strenger Blick und strenger Geruch. Die altbekannte Mischung aus Schweiß und Kölnischwasser, die Lisa von ihrer Großmutter kannte. Ihr wurde augenblicklich schlecht.
    »Ich hab doch nur das Preisschild …«, stammelte sie und wirkte dabei mindestens so frisch ertappt wie eine Kaufhausdiebin.
    »Ach nee … Verstehe … Von der Konkurrenz. Preise ausspionieren«, wetterte die Verkäuferin.
    »Aber ich …«, versuchte Lisa zu protestieren.
    »Hören Se mal. Fotografieren ist hier verboten.«
    »Ich habe meine Brille nicht dabei«, log Lisa kleinlaut, weil ihr Gegenüber offensichtlich auch bei Boots am Londoner Flughafen eingekauft hatte. Der gleiche Nasenflügelzwicker, nur in einer anderen Farbe. Diese Blöße würde sie sich nicht geben.
    »Ach so. Entschuldigen Sie bitte.« Aus streng wurde freundlich, ja fast schon mütterlich.
    »Zoomfunktion.« Um auf Nummer sicher zu gehen, demonstrierte Lisa, was ihre Handykamera konnte.
    Erst jetzt schien die Verkäuferin Lisas Plan vollends zu verstehen. Sie nickte tief beeindruckt.
    »Ehrlich – tolle Idee. Darauf muss man erst mal kommen.«
    Und nun bot sie ihr auch noch ihre Brille an. Richtig nett.
    »Möchten Sie …? Aber ich schau auch gerne für Sie nach. Dafür bin ich ja da.«
    Lisa nickte erleichtert, und so warmherzig, wie die Verkäuferin sie nun anlächelte, störte sie nicht einmal mehr ihr Parfüm.
    Lisa setzte per Fingertipp den letzten Haken auf ihre virtuelle To-do-Liste. Wie praktisch, dass man so etwas heute auf seinem Smartphone

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