Lisa geht zum Teufel (German Edition)
ganz gut reden.
»Findest du auch, dass ich typisch Jungfrau mit Aszendent Fisch bin?«, fragte sie ihre Freundin, als sie das Meer erreichten und sich die sanfte Brandung um die Füße spülen ließen. Claudia liebte es, Horoskope zu lesen, und hatte daher eine gewisse Kernkompetenz in diesen Fragen.
»Ich würde sagen: Ja. Du bist sehr gewissenhaft, lebst nach Prinzipien. Du bist sehr vernünftig, planst gerne alles minutiös im Voraus … Das ist typisch Jungfrau«, schlussfolgerte sie.
»Und der Fisch?«, fragte Lisa.
»Das ist deine andere Seite. Gefühlsbetont, sehr gerne in Gesellschaft. Du erträgst viel, jedenfalls so lange, bis dir der Kragen platzt.« Claudias Einschätzung saß. Auf den Punkt.
Delia wusste das alles. Wenn sie es nicht von Felipe erfahren hatte, dann musste sie über eine umwerfend gute Menschenkenntnis verfügen. Ersteres schied bei genauerer Betrachtung aus, weil sich Felipe nie über andere Gedanken machte, am wenigsten über seine Exfrau. Das war einer der Gründe, weshalb sie es damals nicht mehr an seiner Seite ausgehalten hatte. Er wusste sicher noch nicht einmal, unter welchem Stern sie geboren war.
»Warum willst du das alles wissen?«, fragte Claudia.
»Nur so«, wiegelte Lisa ab.
»Hat sich Reiner etwa wieder gemeldet?«, mutmaßte ihre Freundin.
»Nein … Delia hat mir ein paar Dinge an den Kopf geworfen …«
»Delia?«
Lisa nickte.
»Was noch?«
»Dass ich Angst vor dem Altwerden hätte … Irgendwo hat sie ja auch recht. Die Uhr tickt …«
»Quatsch. Nur weil dich dieser Reiner reingelegt hat, tickt die Uhr noch lange nicht.« Die Art, wie Claudia das sagte, klang sehr überzeugend.
»Vielleicht hast du recht, aber irgendwas muss ich die letzten Jahre doch falsch gemacht haben«, überlegte Lisa.
»Du hast viel zu tun im Job. Das ist alles. Da bleibt nicht viel Zeit, um jemanden kennenzulernen. Mensch, Lisa. Du bist attraktiv. Du gehst doch noch locker für Ende vierzig durch.«
»Das ist es ja. Ich bin aber keine Ende vierzig mehr. Ehrlich gesagt ist es sogar verdammt anstrengend …«
»Was?«, fragte Claudia nach.
»Ich erschrecke teilweise morgens sogar schon vor meinem eigenen Spiegelbild. Und frag nicht, wie viel ich ausgebe, damit mich Anne tageslichttauglich macht.«
»Wir fühlen uns besser, wenn wir gut aussehen. Das ist doch völlig normal und den Aufwand wert«, stellte Claudia fest.
»Das dachte ich bisher auch, aber …«
»Was aber?«, hakte Claudia so besorgt nach, als erwartete sie jeden Moment Lisas Geständnis, todkrank zu sein.
Lisa ließ Claudias Theatralik diesmal kalt. Sie dachte an Delia, deren Gesicht in den letzten zwanzig Jahren bestimmt keine teuren Kosmetikprodukte mehr gesehen hatte und trotzdem eine unglaublich intensive Ausstrahlung hatte. Die Tatsache, dass Claudia für eine ganze Weile schwieg, beruhigte Lisa, Claudias Antwort jedoch nicht.
»Also, ich würde nicht ungeschminkt aus dem Haus gehen«, sagte Lisas Freundin schließlich.
»Warum nicht?«
»Weil man dann auffallen würde, und zwar unangenehm«, fuhr Claudia fort.
»Vielleicht ist es ja gar nicht mal so übel, aufzufallen, anders zu sein«, überlegte Lisa laut, woraufhin sie in Claudias verständnislose Miene blickte.
Lisa atmete gleich aus zwei Gründen auf, als Alex sie gegen halb zwei Uhr morgens vor der Zufahrt zu ihrem Haus absetzte. Smalltalk war nämlich verdammt anstrengend, wenn man eigentlich für sich sein wollte, aber nicht konnte, weil man den anderen die feuchtfröhliche Stimmung nicht verderben wollte und zugleich fürchtete, dass zu Hause eine lärmende Party stattfand. Zu Lisas großer Überraschung war es im Haus aber mucksmäuschenstill. Hätte sie also doch hierbleiben können. So langsam reichte es Lisa, in ständiger Angst vor dem, was noch alles passieren könnte, zu leben. Und wenn dann überhaupt nichts passierte, ärgerte man sich gleich noch mehr. »Nichts« war allerdings relativ. Zu Lisa Köhler, ihrem Namensschild neben der Klingel, hatte sich ein weiterer Aufkleber gesellt, auf dem »Rafael« und »Delia Sanchez« zu lesen war. Jetzt war es also offiziell. Sie waren hier eingezogen, und das nicht nur für ein paar Tage oder Wochen. Gleich morgen früh würde sie die beiden zur Rede stellen. Lisa riss wütend den Aufkleber vom Namensschild der zweiten Klingel. Wenige Meter vor ihrer Haustür kam ihr schon der Gestank von Knoblauch entgegen. Mit jedem Schritt wuchs ihre Wut auf Felipes Freunde. Auch wenn sie Claudia hoch
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