Lisa geht zum Teufel (German Edition)
und heilig versprochen hatte, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen, blieb Lisa jetzt gar nichts anderes mehr übrig, als zurückzuschlagen. Dieses Pack würde sie ausräuchern. Fick dich selbst, du Penner, dachte sie, als sie die Stelle erreichte, an der ihr Rafael noch wenige Stunden zuvor den Mittelfinger gezeigt hatte. In ihrer Wut bereute sie es einen Moment lang, kein Rattengift gekauft zu haben. Die beiden fühlten sich mittlerweile an wie Ungeziefer, das sie nur noch loswerden wollte, egal wie. Für das »Wie« hatte sie sich bereits am Nachmittag einen Plan zurechtgelegt. Dazu brauchte sie nur noch zwei Dinge: die Plastiktüte mit ihren Einkäufen, die sie bereits griffbereit für den Fall der Fälle hinter alten Lackdosen im Geräteschuppen versteckt hatte, und die Leiter. Lisa überlegte, ob sie nach drei Cocktails noch sicher darauf stehen konnte, verwarf diesen Gedanken aber sofort.
Die Leiter war schwer. Massivholz. Erst im Licht der Außenbeleuchtung stellte Lisa fest, dass das Holz schon ziemlich morsch war. Hoffentlich würden sie die Sprossen tragen. Leise lehnte sie die Leiter gegen die Mauer ihres Hauses, und zwar so, dass sie bis zur Klimaanlage des ersten Stocks reichte. Die beiden würden sie nicht hören bei dem Lärm, den das alte Gerät machte – auf ihre Kosten, damit sie sich den Knoblauchgestank vom Leib halten konnten. Von blinder Wut getrieben, stieg Lisa die letzten Sprossen beherzt nach oben, auch wenn die Leiter dabei verdächtig knarrte und sie fast das Gleichgewicht verlor, als sie die Hände von der Leiter nahm, um das Fläschchen aus der Apotheke zu öffnen. Zimt! Der Duft des ätherischen Öls erinnerte sie an Weihnachten. Wer weiß, vielleicht war sie ja eben dabei, sich tatsächlich eine Art Weihnachtsgeschenk zu machen, Monate vor Heiligabend. Beherzt träufelte Lisa nun Zimtöl auf die äußeren Lamellen der Klimaanlage. Mal sehen, wer jetzt gleich panisch das Haus verlassen würde. Katze um Katze, Zimt um Zimt! Nichts wie weg und im Zimmer verbarrikadieren. Nur noch schnell das Fläschchen zuschrauben und runter von der Leiter. Das Runter verlief allerdings anders, als Lisa sich das vorgestellt hatte. Es knarrte einmal zu viel. Das Geräusch von splitterndem Holz und der dumpfe Aufprall eines Körpers waren das Letzte, was Lisa hörte, bevor ihr plötzlich schwarz vor Augen wurde.
Rafaels Schnarchen war schon schlimm genug. Bisher hatte Delia es aus purer Übermüdung ignoriert, doch zu den Geräuschen aus dem Sägewerk seiner Nase gesellte sich nun auch noch ein schreckliches Grummeln aus ihrem Bauch. Jede Nacht reichhaltig zu essen, noch dazu mit sehr viel Knoblauch, war für ihr Verdauungssystem eindeutig zu viel. Delia blickte auf das Display ihres Handys. Halb drei. Hoffentlich würde sie einschlafen können, was sich aber als äußerst schwierig gestaltete, weil sich Rafaels Schnarchgeräusche in der Tonlage änderten und nun noch penetranter wurden. Er fing an zu röcheln, gurgelte und setzte sich abrupt auf. Jetzt roch sie es. Zimt! Rafael griff sich mit den Händen an den Hals und japste nach Luft. Delia sprang aus dem Bett und eilte zur Pritsche, auf der Rafael jeden Moment zu ersticken drohte. Nun blies der kühle Wind der Klimaanlage direkt zu ihr her. Das Ungeheuer aus dem Erdgeschoss musste Zimt hineingeschüttet haben. Geistesgegenwärtig schaltete Delia die Klimaanlage ab. Ihr Surren wurde leiser und kam zum Stillstand. Delia riss das Fenster auf, aber Rafaels Zustand wollte sich einfach nicht bessern. Er streckte eine Hand nach ihr aus, hilfesuchend wie ein Sterbender, der sich mit letzter Kraft noch einmal aufbäumte, bevor die Lichter ausgingen.
»Raus«, röchelte er mit schwacher Stimme.
Delia schnappte ihr Telefon und steckte es unter das Gummiband ihres Schlüpfers. Sie würde den Notarzt rufen, sobald sie Rafael aus dem Zimmer geschafft hatte. Dann öffnete sie die Tür und zog seinen erschlafften Körper mit sich nach draußen.
Die Luft im Gang war stickig. Es roch nach Knoblauch und kaltem Fett. Das war ein Eigentor. Delia wurde augenblicklich schlecht. Rafael versuchte, sich aufrecht zu halten, sackte am Treppengeländer aber zusammen. Er wird sterben, sagte Delia sich, und Panik ergriff sie. Wieder half sie ihm auf. Rafael schaffte es gerade noch bis zu den unteren Stufen, bevor er in die Hocke ging und sich mit Schnappatmung gegen die Wand lehnte. Delia riss die Eingangstür auf. Rafael musste so schnell wie möglich an die
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