Lisa geht zum Teufel (German Edition)
nur Spaß haben, genau wie früher, als er jung war. Madrid hatte seinen Schrecken verloren, jedenfalls für eine Nacht.
Kapitel 11
Lisa wunderte sich darüber, wie sehr Felipe es genoss, mit ihr Walzer zu tanzen, genau wie sie es auf ihrer Hochzeit getan hatten. So leichtfüßig wie diesmal war er noch nie gewesen. Die Paare, die neben ihnen tanzten, waren ausnahmslos maskiert, noch dazu alle gleich. Sie trugen Engelskostüme, jedenfalls auf den ersten Blick. Bei näherem Hinsehen fragte sich Lisa, wie sie es schafften, ihre Flügel gegen die Fliehkraft zu bewegen, die bei derart schwungvollen Drehungen unvermeidbar war. Wären sie nur aufgesteckt oder angenäht, könnten sie zudem kein Eigenleben entwickeln. Eines der Paare hob jetzt sogar ab, schwebte mit kräftigen Flügelschlägen durch den barocken Saal. Und immer mehr Paare taten es ihm gleich. Im Dreivierteltakt umrundeten sie den Kronleuchter.
»Komm, lass uns oben weitertanzen«, sagte Felipe und breitete auch seine Flügel aus. Doch obwohl er sich abmühte, kam er nicht von der Stelle. Viel zu schwach waren die Schläge seiner Schwingen, die bei genauerem Hinsehen verkümmert wirkten. Die anderen Engel sahen zu ihm hinunter und begannen, ihn auszulachen. Felipe, der kleine Flattermann, dessen Flügelschläge zunehmend hektischer wurden, konnte einem richtig leidtun.
»Wir müssen ja nicht tanzen«, sagte Lisa und löste sich aus seinem Griff. Erst jetzt bemerkte sie, dass auch sie Flügel hatte. Sie fühlten sich geschmeidig und kräftig zugleich an. Ob das klappte? Lisa bewegte ihre Schulterblätter. Es genügten kleinste Bewegungen, da die Flügel sehr sensibel reagierten und sich so anfühlten, als seien sie mit den Schulterblättern verwachsen. Schon mit zwei kräftigen Schwüngen erhob sie sich in die Lüfte. Es machte Spaß, immer höher hinaufzufliegen, vorbei an den Tanzenden, hoch zur Kuppel, durch deren Öffnung grelles Sonnenlicht fiel. Lisa spürte den Drang weiterzufliegen, dem Licht entgegen. Was für ein schönes Gefühl, in dieser Wärme zu baden, die Wolken zu erreichen und sich in sie einzuhüllen, sich auf sie zu betten, sich dort oben im Spiel des Windes treiben zu lassen. Warum nur fühlte sich die Wolke, auf der sie es sich eben bequem gemacht hatte, urplötzlich irgendwie kompakter an? Zwar immer noch weich, aber anders. Lisa fuhr mit ihrer Hand darüber und ertastete ein Laken, in das sie sich eingemummelt hatte. Das Erste, was sie sah, nachdem sie die Augen geöffnet hatte, war ein weißes Federkissen, auf das sie ihr Haupt gebettet hatte. Was für ein schöner Traum und was für ein bequemes Bett! Apropos Bett. Es fühlte sich ungewohnt an. Woher nur kamen die tänzelnden bunten Lichter an der Wand? Seit wann hatte sie über ihrem Bett einen Ventilator? Sie musste noch träumen. Lisa setzte sich abrupt auf und spürte einen warmen Körper, der neben ihr lag. Schlagartig setzte die Erinnerung ein, jedenfalls teilweise: Madrid, Park, Engel, Felipe, Pulgas, Tapas, Wein – Filmriss! Wo war sie? Und warum lag Rafael neben ihr in Unterhosen auf dem Bett?
»Lisa«, murmelte er und schlug dabei schlaftrunken die Augen auf.
»Hast du schlecht geträumt?«, fragte er mit besorgter Stimme.
»Nein, ich … Ja …«, stammelte sie und spürte ein leichtes dumpfes Ziehen in ihrem Hinterkopf, das untrüglich auf ein Glas Wein zu viel hindeutete. »Wieso sind wir hier?«, fragte sie.
»Dir war nicht gut, und du wolltest nicht mehr laufen«, rekapitulierte er.
»Du meinst, ich konnte nicht mehr laufen«, mutmaßte Lisa, weil sie wusste, dass sie dazu tendierte, die Kontrolle über ihre Beine zu verlieren, wenn sie zu viel getrunken hatte.
»Ich hab uns noch Churros gekauft, aber …«
Richtig. Lisa erinnerte sich nun vage an die leckeren Teigkringel, die sie in heiße Schokolade getaucht hatte. Offenbar hatten sie den Alkohol nicht schnell genug aufsaugen und abbauen können.
»Ich hab uns das nächstbeste Zimmer genommen – und die hatten nur noch eins«, sagte er kleinlaut.
Lisa nickte. »Danke … Ich … Tut mir leid … ich …« Lisa verspürte den dringenden Wunsch, erst einmal zur Besinnung zu kommen, stand auf, eilte ins Badezimmer und verschloss die Tür hinter sich. Beim Blick in den Spiegel rechnete sie mit dem Schlimmsten, war jedoch angenehm überrascht. Tränensäcke? Fehlanzeige. Zerzaustes Haar? Und wennschon! Sich ein bisschen frisch zu machen konnte aber nicht schaden, weil sie an Rafaels Seite wahrscheinlich
Weitere Kostenlose Bücher