Lisa geht zum Teufel (German Edition)
erfüllen.
»Noch einen Café solo«, rief er in Richtung eines Kellners, der gerade an einem der Nachbartische abkassierte. Der Ober nickte und verschwand hinter dem Tresen. Rafael dachte an Carmens Traum und zog einen gefalteten Zeitungsartikel aus seiner Jackentasche. Rein zufällig war er darauf gestoßen. Touristen hatten die Zeitung auf einer der Parkbänke liegengelassen. Und es konnte kein Zufall gewesen sein, dass er ausgerechnet im Lokalteil auf eine Reportage über die erfolgreichsten Schulabgänger des Jahrgangs aufmerksam geworden war. Carmen hatte landesweit das drittbeste »Bachallorato« hingelegt, ein Abitur mit Bestnoten, und wurde in dem Artikel nach ihren Berufswünschen gefragt. Seither wusste er, dass seine Kleine Ärztin werden wollte. Rafael erinnerte sich noch genau daran, wie stolz er in diesem Moment auf sie gewesen war. Mit dem Stipendium, das auf sie wartete, würde sie es sicher schaffen.
»Was ist dein größter Wunsch?«, hatte die Reporterin sein Mädchen noch gefragt.
»Ein pinkfarbener Mini Cooper Cabrio«, hatte Carmen geantwortet und gleich hinzugefügt, dass sie darauf wohl noch bis nach ihrem Studium warten müsse, obwohl sie bald den Führerschein in der Tasche haben würde. Mit achtzehn! Der Gedanke, ihr diesen Wunsch nun erfüllen zu können, bedeutete Rafael nahezu alles. Von dem Geld, das er von Andreas bekam, konnte er ihr wenigstens einen gebrauchten Mini kaufen. Er würde ihr das Fahrzeug unbemerkt vor die Tür stellen und den Schlüssel in ihren Briefkasten werfen, mit einem herzförmigen Anhänger. Ohne Worte. Hauptsache, seine Carmen wäre glücklich!
Lisa wartete nun schon seit einer Viertelstunde in einem der Cafés im Rastro-Viertel, das für seinen Flohmarkt bekannt war. Es war Rafaels Vorschlag gewesen, sich hier zu verabreden. Beide kannten das Café. Beide waren in ihrer Zeit in Madrid gelegentlich hier entlanggeschlendert und hatten sich in unzähligen Läden durch alte Kunst, Fotografien, oder Bücher gewühlt. Schon die zweite Gemeinsamkeit, überlegte Lisa und fragte sich, ob sie sich nicht vielleicht doch bereits begegnet, aber damals unachtsam aneinander vorbeigelaufen waren. Eine dritte Gemeinsamkeit, sprich Pünktlichkeit, schied wohl aus, aber dieses Manko machte er wett, noch bevor sie den Kaffee ausgetrunken hatte.
»Hallo, Lisa. Ich dachte, das könnte dir gefallen«, sagte er, setzte sich zu ihr an den Tisch und reichte ihr einen Umschlag, wie man ihn bekam, wenn man sich Postkarten kaufte. Lisa war nicht überrascht, tatsächlich eine darin vorzufinden. Es war die nachbearbeitete Schwarzweißfotografie der Teufelsstatue aus dem Parque del Retiro. Neonfarbene kichernde Engel umkreisten sie und hielten sich die dicken Puttenbäuche vor Lachen. Die Schlange war mit gelben Punkten versehen, und dem Teufel selbst hatte man auch noch grüne Hörner aufgesetzt. Darunter stand, dass es der Teufel nicht vertrug, wenn man über ihn lachte.
»Ich dachte, das muntert dich etwas auf. Apropos … Wie war dein Treffen mit Felipe?«, fragte er.
»Er lässt nicht mit sich reden. Wie früher … Die gleichen Vorwürfe. Macht auf großen Zampano. Und wenn ich mich nicht täusche, ist er jetzt mit so einem jungen Ding zusammen … Es passte einfach alles perfekt ins Bild, aber irgendetwas war trotzdem anders …«, sagte Lisa und überlegte, wie sie ihm klarmachen könnte, welch abstruse Erkenntnisse der Besuch bei Felipe zutage gefördert hatte, ohne dass Rafael sich über sie lustig machte. Der Gedanke schien auch noch nicht ganz ausgereift, aber er war da gewesen, als sie das Büro ihres Exmanns verlassen hatte. Felipe hatte Schwächen gezeigt. Lisa blickte auf die Postkarte, die ihren Gedanken Gestalt verlieh. Darauf war Felipe der Gehörnte und eben nicht die Schlange, für die sie ihn jahrelang gehalten hatte. Lisa war Rafael eine Antwort schuldig.
»Ich hab ihm zum ersten Mal angemerkt, dass er so etwas wie ein schlechtes Gewissen hatte. Ganz plötzlich, wie auf Knopfdruck …«
»Gut möglich, dass er sich geändert hat … Aber auf welchen Knopf hast du denn gedrückt?«, fragte Rafael.
»Ich glaube, er hat gespürt, dass ich ihn nicht mehr hasse. Er tat mir eher leid, genau wie der Engel im Park.«
»Warum tut dir der Teufel leid?«
»Weil er zu schwach ist, um gut zu sein«, brachte Lisa es auf den Punkt.
Rafael nickte und begann zu grinsen. Er schien sich aufrichtig über diese Entwicklung zu freuen.
»Hast du Felipe verziehen?«, fragte
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