Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
beherrschen.
„Ja, Lisbeth, diesmal werde ich meinen Willen durchsetzen. Komm mir jetzt nicht mit dummem Gerede, sonst – sonst passiert ein Unglück!“
„Bist du…“
„Ich meine, was ich sage. Da kommt Eldbjörd gerade die Treppe herauf. Stehst du jetzt auf, oder soll ich sie bitten, hereinzukommen und dich festzuhalten?“
Lisbeth biß sich auf die Lippe. Sie war krebsrot vor Wut. Sie schleuderte das Bettuch beiseite und krabbelte aus dem Bett.
„In zehn Minuten bist du fertig angezogen“, sagte ich. Dann verließ ich das Zimmer.
Wenn ich behaupten wollte, der Flug nach Stockholm sei ein Genuß gewesen, so wäre das eine glatte Lüge. Lisbeth und ich saßen nebeneinander und sprachen kein Wort. Bei der Ankunft in Bromma war Lisbeths Gesicht verschlossen. Sie reagierte nicht die Spur auf den Zauber Stockholms in der Abendsonne.
Ich hatte wohlüberlegt im besten Hotel der Stadt ein schönes Doppelzimmer mit Bad bestellt. Wir versanken fast bis zu den Knöcheln in weichen Teppichen, und die Kratzfüße und Bücklinge der Angestellten nahmen kein Ende. Heimlich schielte ich nach Lisbeth und sah mit Befriedigung, daß sie das alles, wenn auch widerstrebend, genoß.
Dann waren wir allein im Zimmer. Ich entwarf in Gedanken meinen Feldzugsplan: Zeige Lisbeth jetzt, daß auch ihre Mutter die Welt kennt! Zeig ihr, daß nicht bloß Erling Boor weitgereist und erfahren ist! Und – zeige ihr, daß eine welterfahrene Frau durchaus nicht hochmütig und überheblich sein muß. Versetze dich in die Zeit deiner vielen Reisen zurück, Steffi, in deine Jugendtage!
Lisbeth kannte mich nur als Mutter und Hausfrau. Jetzt sollte sie mich anders kennenlernen.
„Ich denke, wir nehmen eine Dusche, bevor wir soupieren“, sagte ich. Ich gebrauchte mit Absicht das Wort soupieren. Jetzt galt es, meiner dummen kleinen Tochter zu imponieren. Ich klingelte also nach dem Stubenmädchen und bat sie, sie möchte unsere Koffer auspacken, während wir uns fertig machten.
Zu meinen Fertigkeiten gehört, daß ich das Schwedische ziemlich fließend spreche. Lisbeth wußte das nicht und spitzte die Ohren. Ich lachte im stillen. Daß ich aus dem Finnischen und dem Portugiesischen übersetzte, war für sie etwas ganz Natürliches – es war ja mein tägliches Brot –, aber daß ich mit einem schwedischen Stubenmädchen schwedisch sprach und sie bat, die Koffer auszupacken, das imponierte meinem kleinen Mädchen.
„Das gelbe Abendkleid ist leider noch etwas verknittert“, sagte das Stubenmädchen bedauernd. Sie hielt Lisbeths gelben Traum in den Händen.
„Da muß ich Sie wohl bitten, es zu plätten“, antwortete ich. „Denn meine Tochter braucht das Kleid heute abend.“ Lisbeth horchte auf. Es machte mächtigen Eindruck auf sie, daß wir in einem vornehmen Hotel wohnten und daß ihr Abendkleid von einem höflichen Stubenmädchen gebügelt wurde… Nicht nur dein Erling lebt so, meine Kleine! dachte ich grimmig. Aber vielleicht merkst du jetzt den Unterschied.
Ich telefonierte mit dem Portier und bat ihn, in „Bellmannsro“ einen Tisch zu bestellen. Lisbeth stand mit offenem Munde da. Es wurde ihr immer schwerer, die kühle Ruhe zu bewahren. Es prickelte in ihren Nerven vor Spannung, das war nicht zu übersehen.
Dann zogen wir uns an, und ich erhob keinen Einwand, als Lisbeth sich etwas zaghaft meines Puders und Parfüms bediente – ja, ich bot ihr sogar einen ziemlich kräftigen Nagellack an, der einen lustigen Gegensatz zu ihrem Kleide bildete. Ich wies den Portier telefonisch an, ein Auto für uns zu bestellen, und ich ließ mir von einem herbeieilenden dienstbaren Geist meinen Pelzmantel um die Schultern legen – ich tat das alles mit Berechnung, bewußt und schamlos. Freilich, schamlos -. Es war eine Komödie, die ich spielte.
Lisbeth machte sich mit steigender Verwunderung und nervösen Fingern über die Artischocken her. Beim Rehbraten war es ihr nicht länger möglich, steif und stumm dazusitzen. Ihr Gesicht strahlte. Sie genoß die Situation. Und mir fuhr es durch den Kopf: war sie denn daran nicht gewöhnt? Sie, die mit Boor ausgegangen war, die Champagner getrunken und in Bars getanzt hatte? Ich wagte nicht zu fragen. Noch nicht. Ich stieß mit Lisbeth an. Ich hatte einen weichen Weißwein gewählt, der indessen den Vorteil hatte, daß er in Kühlern gebracht und in höchst dekorativen und unnatürlich hochstieligen Gläsern serviert wurde. Lisbeth genoß offensichtlich.
Und in diesem Augenblick stand mir das
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