Listiger Freitag
weiter!«, befahl Milka Blatt. »Lass das, Feorin! Du musst ihn hier drinnen nicht tragen!«
Feorin stellte den Kampf gegen seinen Trenchcoat ein und knüllte ihn einfach unter dem Arm zusammen. Seine Flügel stellten sich nach innen und falteten sich flach an den Rücken, wobei sich die Spitzen von seinen Knien bis knapp unter die Taille zurückzogen.
Blatt wusste nicht mehr, wie weit sie schon gegangen waren. Jedes Mal, wenn Feorin langsamer wurde oder stehen blieb, überfiel sie der Drang, zurückzuspringen. Die prompte Furcht, einer weiteren Samenschote zu begegnen, überlagerte ihre sonstigen Sorgen; der Schrecken des jüngsten Zusammenstoßes hatte ihren angespannten Zustand noch verstärkt. Blatt war unglaublich nervös, sogar kurz vor dem Zusammenbruch. Nur das Wissen, dass ihr das überhaupt nichts nützen würde, half ihr, sich zusammenzureißen.
»Feorin … halt!«, sagte Milka nach einem leisen Seufzer der Verzweiflung. Sie deutete auf eine links liegende Tür, an der Feorin gerade vorbeigegangen war. Darüber stand die Nummer 18; sie war aus kleinen blauen Steinsplittern gemacht.
Der Raum hinter der Tür war ungefähr so groß wie Blatts Wohnzimmer daheim. Die gegenüberliegende Wand hatte ein Fenster vom Boden bis zur Decke, das erste, das Blatt hier sah. Es schien aus einer Art Milchglas zu bestehen, deshalb konnte sie nichts dahinter erkennen, allerdings ließ es ziemlich viel violettstichiges Sonnenlicht durch, das hell genug war, um die allgegenwärtigen blauen Flammen der Gasdüsen verblassen zu lassen.
In der Mitte stand ein alter Schreibtisch mit einem Stuhl, in einer Ecke ein Bett, auf dem ein Mann schlief – dem Aussehen nach ein gewöhnlicher Mensch. Er war vollständig angezogen, und zwar mit der gleichen grünen Krankenhaustracht, die auch die Putzfrau auf der Station zu Hause auf der Erde getragen hatte.
»Ist sie das?«, fragte Feorin.
»Er«, korrigierte Milka ihn. »Ich habe dir doch gesagt, dass sie sie ständig auswechseln. Aufwachen!«
Mit einem Ruf der Überraschung setzte sich der Mann auf. Er war sehr alt, älter als Blatts Großvater, und sein kurzes Haar war schlohweiß.
»Was? Ich habe mich gerade erst hingelegt!«
»Wir haben Euch eine schlafende Wache gebracht«, meldete Feorin.
»Eine wache Schlafende«, verbesserte ihn Milka. »Wir brauchen eine Empfangsbestätigung.«
Der Mann rieb sich die Augen und musterte Blatt.
»Hi«, sagte er. »Ich bin Harrison. Ich nehme an, sie habens wieder vermasselt. Du bist ein Pfeiferkind, stimmts?«
»Nein …«, widersprach Blatt. Sie gab sich verwirrt und desorientiert, was ihr nicht besonders schwerfiel. »Ich war im Krankenhaus …«
Harrison stand mit einem Stirnrunzeln aus dem Bett auf.
»Aber sie nimmt niemals jemanden unter fünfzig!«
»Wir brauchen eine Empfangsbestätigung!«, unterbrach Milka. »Und zwar schnell! Wir haben Besseres zu tun, als hier herumzustehen.«
»Zum Beispiel Tee trinken«, führte Feorin aus.
»Schon gut, schon gut!« Harrison schüttelte ein paar Mal den Kopf, blinzelte und wischte sich über die Augen, dann ging er hinüber zum Schreibtisch und schrieb schnell etwas auf ein Blatt Papier, wofür er einen Kugelschreiber benutzte. Milka nahm es entgegen und schürzte angewidert die Lippen.
»Erbärmliche Schreibkunst!«, stellte sie fest. »Diese spitzen Dinger sind keine geeigneten Schreibinstrumente.«
»Wird es als Empfangsbestätigung genügen?«, fragte Harrison.
»Ich denke schon«, meinte Milka. Sie faltete das Papier peinlich genau auf ein Achtel seiner ursprünglichen Größe zusammen und steckte es in ihre Tasche. »Feorin! Na los!«
Die beiden Bürger stolzierten hinaus und ließen Blatt vor dem Schreibtisch stehen. Harrison rieb sich wieder die Augen und beugte sich vor, stützte einen Moment lang das Kinn in die Hände und schloss die Augen, als wollte er weiterschlafen. Dann schüttelte er sich wieder wach, schob den Stuhl zurück und stand auf.
»Entschuldige«, sagte er. »Du solltest dich besser hinsetzen. Das wird ein Schock für dich werden.«
Blatt nahm sich den Stuhl.
Harrison ging vor dem Schreibtisch auf und ab und kratzte sich am Kopf. Schließlich blieb er stehen und drehte sich so, dass er Blatt ins Gesicht blickte.
»Schau, ich weiß nicht, wie ich es dir beibringen soll. Ah, mal sehen … wie kann ich das formulieren? Die zwei … äh … Leute, die dich hierher gebracht haben – na ja, das waren keine Menschen. Sie sind so eine Art Außerirdische,
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