Listiger Freitag
dalagen; jeder hatte einen schmalen, blassblauen Papierstreifen im Gesicht kleben, der von der Stirn über die Nase bis zum Hals verlief.
Arthur gönnte ihnen nur einen hastigen Blick und vergeudete keine Zeit mit der Frage, was sie da machten. Er hatte sich um Wichtigeres zu sorgen.
»Wer hat hier das Sagen?«, fragte er. Er musste schreien, um sich bei dem ganzen Lärm, dem Gehämmer, den Zurufen der Bürger, dem Gluckern und Zischen des Goldes in der Rinne verständlich zu machen. »Und gibt es eine Möglichkeit zu sehen, was draußen vor sich geht?«
»Ihr werdet wirklich und wahrhaftig nicht alle umbringen?«, vergewisserte sich Marek noch einmal.
»Nein!«, schrie Arthur. »Warum fragen Sie ständig? Sehe ich etwa wie ein wahnsinniger Mörder aus?«
»Nein …« Marek klang, als ob er ihn genau dafür hielt, ihn aber nicht gegen sich aufbringen wollte. »Vergebt mir.
Wir leben in sonderbaren Zeiten … und ich habe gesehen, was Ihr mit diesen Nichtlingen angestellt habt.«
»Wo wir gerade von Nichtlingen reden – sie werden bald scharenweise angreifen«, prophezeite Arthur. »Ich muss mit demjenigen sprechen, der hier die Verantwortung hat.«
Marek sagte etwas, aber Arthur konnte ihn nicht hören. Frustriert zog er sich in den Vorraum zurück und bedeutete Marek, ihm zu folgen. Bei angelehnter Tür wiederholte Arthur seine Frage.
»Ich weiß nicht, wer verantwortlich ist«, sagte Marek und duckte sich vor Angst so tief, dass er mit Arthur auf Augenhöhe war. »Keines der Telefone funktioniert. Heute Morgen haben wir einen Brief erhalten, in dem stand, dass Lady Freitag verreist ist; daraufhin ist Freitags Morgengrauen, unser Gildemeister, kanalaufwärts gezogen, um herauszufinden, was vor sich geht. Nachdem er weg war, kam ein weiterer Brief, von Erhabener Samstag, der besagte, dass sie das Mittlere Haus übernommen hat und wir alle bei der Arbeit bleiben sollen und dass bald ein neuer Gildemeister eintreffen und uns beaufsichtigen wird.«
»Wer kommt nach Freitags Morgengrauen als Nächstes in der Rangfolge innerhalb des Hauses?«, wollte Arthur wissen. Er wurde allmählich nervös wegen des drohenden Angriffs der Bringer. »Und gibt es eine Möglichkeit, das Geschehen draußen vom Turm aus zu überblicken?«
»Elibazeth Plattgold ist die Meisterfoliererin«, antwortete Marek. »Aber sie ist bei Weitem zu beschäftigt mit der Folie, als dass man sie stören dürfte. Ich bin der Dritte, nach Elibazeth, und fürs Leeren des Briefkastens verantwortlich. Kernen ist der Zweite, aber er ist beim Erfahrungsammeln und wird Wochen weg sein. Um vom Turm aus nach draußen zu sehen, muss man diese Innentür auf andere Weise öffnen. Andererseits, wenn Ihr nicht vorhabt, uns zu töten oder etwas zu zerstören, warum verschwindet Ihr dann nicht einfach? Wir haben genug zu tun!«
Arthur sah ihn verdutzt an. Innerhalb eines Atemzuges war aus einem kriecherisch feigen ein eigenartig aggressiver Marek geworden.
»Ich bin Lord Arthur, rechtmäßiger Erbe der Architektin, Befehlshaber der Armee der Architektin und von allerhand anderem Kram, und ich übernehme das Kommando hier, nicht Erhabene Samstag oder sonst wer! Verstanden?«
Augenblicklich verlegte sich Marek wieder auf seine Kriecherei; er sank auf ein Knie und antwortete: »Jawohl, Gebieter!«
»Gehen Sie und stören Sie Elizabeth –«
»Elibazeth, Gebieter.«
»Elibazeth dann eben. Gehen Sie und sagen Sie ihr, ich will, dass sich alle Bürger, die in der Armee gedient haben, hier bei der Tür zusammenfinden, mit sämtlichen Waffen, die aufzutreiben sind oder behelfsmäßig angefertigt werden können. Und öffnen Sie diese Tür ›auf andere Weise‹, sodass ich einen Blick nach draußen werfen kann!«
»Jawohl, Gebieter.«
Marek zeigte Arthur, wie man den Türgriff herausziehen, um neunzig Grad drehen und wieder hineinschieben musste. Plötzlich standen sie nicht mehr im Vorraum, sondern vor einem düsteren, kalten und sehr feuchten Treppenaufgang; die wenigen schmalen Lichtstreifen, die durch die Lücken der Fensterläden weiter oben hereindrangen, konnten ihn nicht gemütlicher machen.
Arthur sprang die Stufen hinauf, hinter ihm schloss Marek die Tür. Als der Junge das erste Fenster erreichte, entriegelte er die Läden und öffnete sie nur einen Spalt breit, um nicht sofort aufzufallen.
Durch den schmalen Schlitz war außer der verschneiten Ebene nicht viel zu sehen. Bei dem unablässig fallenden Schnee und den Wolken, die so tief hingen, dass
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