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Literaturgeschichte der USA

Literaturgeschichte der USA

Titel: Literaturgeschichte der USA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Klarer
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dem Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten (1861–1865) zur tiefsten sozialpolitischen Bruchlinie in der amerikanischen Geschichte. Bemerkenswerterweise hinterließ aber diese Wunde in der amerikanischen Identität auffällig wenig literarische Spuren.
    Ein bekannter Autor, bei dem die Nord-Süd-Problematik mitschwingt, ist
Mark Twain
(1835–1910). Geboren als Samuel Langhorne Clemens wuchs er im tiefen Süden auf, verließ die Schule mit zwölf Jahren, arbeitete mehrere Jahre auf Flussdampfschiffen, schlug sich als reisender Drucker durch, kämpfte kurz in der Südstaatenarmee, desertierte und verbrachte den Rest des Bürgerkriegs im Westen. In dieser Zeit arbeitete er als Journalist und nahm das Pseudonym Mark Twain an, unter dem er auch später seinen internationalen Bekanntheitsgrad erlangte. («Mark twain» ist der Ruf des Schiffslotsen zur Information über die Wassertiefe und bedeutet soviel wie zwei Faden, also sicheres Wasser.)
    Bereits sein erstes publiziertes Buch, die Kurzgeschichtensammlung
The Celebrated Jumping Frog of Calaveras County, and Other Sketches
(1867), verhalf Mark Twain, wie er sich von nun an nannte, zu großem Erfolg. Die Titelgeschichte der Kurzgeschichtensammlung bündelt zahlreiche zentrale Elemente späterer Twain’scher Prosawerke. Es handelt sich um eine sogenannte tall tale – eine Art von Lügengeschichte, die zum folkloristischen Erzählgut des amerikanischen Südwestens gehört. Hierbei trifft ein gebildeter Gentleman auf einen durchtriebenen lokalen Helden, wobei eine gewollte Situationskomik entsteht, die sich aus der Interaktion dieser beiden Charaktertypen ergibt. Die vermeintliche Überlegenheit amerikanischer zivilisatorischer Errungenschaften und hinterwäldlerische Schläue treffen hier ebenso aufeinander wie Standardenglisch und regionaler Dialekt. James Russell Lowell, einer der einflussreichsten literarischen Kommentatoren der Zeit, preist Twains Geschichte für ihre originelle Verbindung von lokaler Geschichtenerzähltradition mit literarischem Anspruch von Satire und Ironie.
    In der Geschichte tritt ein Erzähler auf, der eine dieser humoristischen Erzählungen zum Besten gibt, die von einem gewissenJim Smiley handelt, der einen Frosch so lange trainiert, bis dieser bei Froschhochsprungwettkämpfen immer als klarer Sieger hervorgeht. Schließlich wird Jim Smiley von einem Freund überlistet, der den Frosch Schrotkugeln fressen lässt, um ihn damit in seiner Sprungkraft einzuschränken und verlieren zu lassen.
    Viele dieser humoristischen Elemente finden sich auch in seinen erfolgreichen Romanen wie
The Adventures of Huckleberry Finn
(1884). Was auf den ersten Blick wie ein nostalgisches Zurückversetzen in die unbeschwerten Jahre der Kindheit erscheint, wird bei genauerer Betrachtung eine vielschichtige Analyse der amerikanischen Kultur und ihrer Rassenproblematik. Der Icherzähler Huck Finn, der aufgrund seiner mangelnden Bildung und seines Status’ als Quasiwaise einen sehr eigenwilligen Blickwinkel auf seine Umwelt einnimmt, trifft auf den entlaufenen Sklaven Jim, mit dem er längere Zeit auf der Flucht verbringt. Wegweisend im Roman ist Twains Einsatz von Huck als Erzählinstanz. Die Handlung wird als Icherzählung aus der Perspektive des gesellschaftlichen Außenseiters Huck geschildert, wobei der Soziolekt bzw. Dialekt des Protagonisten in realistischer Manier wiedergegeben wird. Trotz seiner zeitlichen Ferne zu den Transzendentalisten fungiert Huck in Twains Roman als ein verborgenes Sprachrohr jenes von Emerson gepredigten frischen, unverstellten, natürlichen Blickes. Huck lässt den normalerweise anerzogenen zivilisatorischen Ballast hinter sich und kann so relativ offen auf seine Umwelt – insbesondere auf den Schwarzen Jim – zugehen, weil er die traditionellen Denkmuster seiner «Rasse» aufgrund mangelnder Bildung nicht verinnerlicht hat.
    Huck Finns Charakterfigur weist jedoch nicht nur in die transzendentalistische Vergangenheit zurück, sondern transportiert in der realistischen Darstellung der Sprache und der Gedanken eines Ungebildeten und sozial schlechter Gestellten den Zeitgeist des im Erstarken befindlichen Realismus, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts den amerikanischen – und nicht nur den amerikanischen – Roman dominieren wird. Twain weist sogar noch weiter in die Zukunft voraus, vor allem in die Literatur des Modernismus in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. William Faulkner wird in den späten 1920er Jahren

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