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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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einen der anderen.
    »Die behältst du hier und nimmst ihre Personalien auf«, sagte er. »Ich gehe mit Paul rein und suche die Mutter.«
    »Bitte«, sagte ich. »Ich muss Ihnen den Weg zeigen.«
    Der Polizist lächelte kalt. »Wir sind große Jungs, wir finden uns schon zurecht.«
    »Ich verstehe nicht, warum Sie meine Personalien brauchen.«
    »Ich brauche Ihre Personalien, Madam, weil Sie sie mir offenbar nicht geben wollen. An diesem Punkt entscheide ich gewöhnlich, dass ich sie brauche. Das ist nicht persönlich gemeint, Madam. Sie wären erstaunt, wie oft derjenige, der bei Vermisstenfällen die Polizei benachrichtigt, etwas mit dem Verschwinden zu tun hat.«
    Ich sah ihn mit dem Mann, der Paul hieß, durch das Tor der Isabella Plantation gehen. Der andere Polizist kam zu mir und zuckte mit den Schultern.
    »Tut mir leid. Wenn Sie bitte mitkommen, dann können Sie sich gemütlich in den Streifenwagen setzen, und ich nehme Ihre Personalien auf. Es dauert nur eine Minute, länger halte ich Sie nicht auf. Und meine Kollegen werden das Kind finden, wenn es dort ist, das kann ich Ihnen versichern.«
    Er öffnete die hintere Tür des Polizeiautos und ließ mich einsteigen. Er ließ die Tür offen, während er in sein Funkgerät sprach. Er hatte blasse, schmale Handgelenke und einen kleinen Bauch, so wie der Gefängniswärter, der an dem Morgen, an dem sie uns freiließen, Dienst hatte. Im Polizeiauto roch es nach Nylon und Zigaretten.
    »Wie ist Ihr Name, Madam?«, fragte der Polizist nach einer Weile.
    »Wozu müssen Sie das wissen ?«
    »Schauen Sie, wir haben pro Woche zwei bis drei Vermisstenfälle und kommen immer als Außenstehende in die Situation. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen. Für Sie mag die Situation ganz eindeutig sein, aber wir müssen ein paar Fragen stellen, um zu erfahren, womit wir es zu tun haben. Wenn man an der Oberfläche kratzt, findet man darunter meist eine altbekannte Geschichte, gerade in Familien. Oft muss man nur ein paar Fragen stellen und gewinnt schon einen ziemlich guten Eindruck, weshalb sich die fragliche Person rargemacht hat. Verstehen Sie?« Er grinste. »Schon gut. Sie sind ja nicht verdächtig oder so.«
    »Natürlich nicht.«
    »Na schön, also fangen wir mit Ihrem Namen an.«
    Ich seufzte und wurde sehr traurig. Ich wusste, jetzt war für mich alles vorbei. Ich konnte dem Polizisten nicht meinen wirklichen Namen nennen, denn dann würden sie herausfinden, was ich war. Einen falschen Namen konnte ich ihm auch nicht nennen. Jennifer Smith, Alison Jones - keiner dieser Namen ist real, wenn man nicht die passenden Papiere hat. Nichts ist real, außer es erscheint auf einem Bildschirm, irgendwo in einem Gebäude voller Computer und Kaffeetassen, genau in der Mitte des Vereinigten Königreiches. Ich setzte mich ganz gerade auf den Rücksitz des Polizeiautos und holte tief Luft und sah dem Polizisten in die Augen.
    »Mein Name ist Little Bee.«
    »Können Sie das bitte buchstabieren?«
    »L-I-T-T-L-E-B-E-E.«
    »Ist das Ihr Vorname oder Nachname, Madam?«
    »Das ist mein ganzer Name. Das bin ich.« Der Polizist seufzte, drehte sich weg und sprach in sein Funkgerät.
    »Charlie Bravo an Leitstelle«, sagte er. »Fordere eine Einheit an. Ich habe hier jemanden für Karteiabgleich und Fingerabdrücke.«
    Er wandte sich wieder an mich. Jetzt lächelte er nicht mehr.
    »Bitte«, sagte ich. »Bitte lassen Sie mich bei der Suche nach Charlie helfen.«
    Er schüttelte den Kopf. » Sie warten hier.«
    Er schloss die Autotür. Ich saß lange da. Ohne den Wind war es im Polizeiauto sehr heiß. Ich wartete, bis eine andere Gruppe Polizisten kam und mich mitnahm. Sie setzten mich in einen Lieferwagen. Im Rückfenster sah ich durch ein Metallgitter die Isabella Plantation verschwinden.
    Am Abend kamen Sarah und Lawrence mich besuchen. Ich befand mich in einer Arrestzelle in der Polizeiwache von Kingston-upon-Thames. Der Wärter riss die Tür auf, ohne anzuklopfen, und Sarah kam herein. Sie trug Charlie in den Armen. Er schlief und hatte den Kopf auf ihre Schulter gelegt. Ich war so glücklich, ihn in Sicherheit zu wissen, dass ich weinte. Ich küsste Charlie auf die Wange. Er zuckte im Schlaf und seufzte. Durch die Löcher in seiner Bat-Maske konnte ich sehen, wie er im Schlaf lächelte. Da musste ich auch lächeln.
    Draußen vor der Zelle diskutierte Lawrence mit einem Polizeibeamten.
    »Das ist lächerlich. Man kann sie nicht abschieben. Sie hat ein Zuhause. Jemanden, der für sie

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