Little Bee
da.«
»Nein, Lawrence ... nein.«
»Wieso denn nicht? Niemand wird es erfahren, Sarah.«
»Ich weiß nicht, aber ... lass mich bitte kurz nachdenken.«
Er wartete. Im Radio versprach die Ansagerin große Enthüllungen in der nächsten Sendung. Anscheinend hatten viele Leute falsche Vorstellungen davon, was man von der Steuer absetzen konnte, und darüber würde man sie nun aufklären. Ich bohrte die Fingernägel in die Handfläche und kämpfte verzweifelt gegen die Ahnung an, dass ein Abend im Bett mit Lawrence und einer Flasche Pouilly-Fume aufregender sein könnte als Radio 4.
»Nein, es tut mir leid. Ich lasse dich nicht in mein Haus.«
»Warum denn nicht?«
»Weil ich das bin, Lawrence. Dein Haus ist deine Familie, und mein Haus ist meine Familie, und der Tag, an dem du in mein Haus kommst, ist der Tag, an dem unser Leben sich enger verknüpft, als mir lieb ist.«
Ich legte auf. Stand ein paar Minuten bewegungslos da und schaute aufs Telefon. Ich wollte Charlie beschützen, indem ich Lawrence auf Distanz hielt. Ich hatte richtig gehandelt. Es war alles kompliziert genug. Meiner Mutter hätte ich das wohl nie und nimmer erklären können - dass es Umstände gibt, unter denen wir Männern Einlass in unseren Körper gewähren, nicht aber in unser Haus. Mein Körper tat weh vom Klang seiner Stimme, und der Frust überwältigte mich, so dass ich schließlich zum Telefon griff und es wieder und wieder und wieder auf meinen perfekt verzierten Kuchen schmetterte. Als der Kuchen völlig zermatscht war, holte ich tief Luft, schaltete den Backofen ein und machte einen neuen.
Am nächsten Tag - Charlies erstem Tag im Kindergarten - fiel mein Zug aus, so dass ich zu spät von der Arbeit kam. Charlie weinte, als ich ihn abholte. Er war das letzte Kind im Kindergarten, saß heulend auf dem gebohnerten Boden und hämmerte mit seinen kleinen Fäusten gegen die Beine der Erzieherin. Als ich zu ihm ging, wollte er mich nicht ansehen. Ich schob ihn im Buggy nach Hause, setzte ihn auf den Tisch, dimmte das Licht und holte den Bananenkuchen mit den zwanzig brennenden Kerzen. Charlie vergaß, dass er schmollte, und lächelte. Ich küsste ihn und half ihm, die Kerzen auszupusten.
»Wünsch dir was!«, sagte ich.
Sein Gesicht verdüsterte sich wieder. »Will Papa.«
»Ehrlich, Charlie? Ganz ehrlich?«
Er nickte. Seine Unterlippe zitterte, und mein Herz zitterte mit. Nachdem er Kuchen gegessen hatte, kletterte er aus dem Hochstuhl und tapste davon, um mit Autos zu spielen. Ein komischer Gang, dieses Tapsen. Es war eher ein Taumeln bei meinem zweijährigen Sohn, jeder Schritt eine hastige Improvisation, ein Beinahe-Sturz, den er mehr durch Glück als durch richtige Einschätzung vermied. Ein Leben auf kurzen Beinen.
Als Charlie später im Bett lag, rief ich meinen Mann an. » Charlie möchte dich zurückhaben, Andrew.«
Schweigen.
»Andrew?«
»Charlie will das?«
»Ja.«
»Und was willst du? Willst du mich auch zurück?«
»Ich will, was Charlie will.«
Andrews Lachen im Telefon - bitter, verächtlich. »Du weißt wirklich, wie man einem Mann was Nettes sagt.«
»Bitte. Ich weiß, wie sehr ich dich verletzt habe. Aber jetzt wird alles anders.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Ich kann unseren Sohn nicht allein aufziehen, Andrew.«
»Nun, und ich kann meinen Sohn nicht mit einer Schlampe als Mutter aufziehen.«
Ich umklammerte das Telefon. Entsetzen stieg in mir auf. Andrew hatte nicht einmal die Stimme erhoben. Mit einer Schlampe als Mutter. Kalt, technisch, als hätte er auch Ehebrecherin, Fremdgeherin und Narzisstin erwogen, bevor er sich für den treffendsten Begriff entschied. Ich versuchte, meine Stimme zu beherrschen, hörte aber das Zittern darin.
»Bitte, Andrew. Es geht hier um dich und mich und Charlie. Ihr beide bedeutet mir so viel, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Das mit Lawrence ... tut mir so leid.«
»Warum hast du es getan?«
»Eigentlich hatte es gar nichts zu bedeuten. Es war nur Sex.« Die Lüge ging mir so mühelos über die Lippen, dass ich begriff, weshalb sie so beliebt war.
»Nur Sex? Das ist heutzutage üblich, oder? Sex ist eines der Wörter geworden, die man mit einem nur versehen kann. Möchtest du sonst noch etwas minimieren, Sarah? Nur Untreue? Nur Betrug? Dass du mir nur mein verdammtes Herz gebrochen hast?«
»Hör auf, bitte, hör auf! Was soll ich denn machen? Was soll ich tun, um es wieder in Ordnung zu bringen?«
Andrew antwortete, das wisse er nicht. Er weinte
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