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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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noch. Ich habe einen Sohn, um den ich mich kümmern, und eine Hypothek, die ich abzahlen muss. Ich will einfach wieder arbeiten.«
    Clarissa wich leicht zurück.
    »Na schön«, sagte sie. »Wir haben ein paar tolle Sachen. Natürlich ist in diesem Monat Henley dran. Wir bringen einen ironischen Kleidungsratgeber für die Regatta - Was Sie auf keinen Fall anziehen sollten -, der natürlich nur ein Vorwand für Fotos mit göttlichen Ruderern ist. Im Modebereich haben wir etwas mit dem Titel >Fuck Your Lover< - sieh mal hier. Mädchen mit Peitschen, die zähnefletschend Jungs in Duckie-Brown-Klamotten anknurren. In der >Real Life<-Sparte haben wir zwei Möglichkeiten. Entweder nehmen wir eine Story namens >Die Schöne und das Budget< in der es um eine Frau mit zwei hässlichen Töchtern geht, deren Geld aber nur für eine Schönheitsoperation reicht. Hm, ja, ich weiß. Oder - was mir lieber wäre - wir nehmen einen Artikel mit dem Titel >Good Vibrations<, der ist ein Knaller. Mein Gorr, Sarah, man kann heutzutage im Internet Sexspielzeuge kaufen ... die erfüllen einem "Wünsche, von denen ich im Leben nicht geahnt hätte, dass es sie gibt.«
    Ich machte die Augen zu, horchte auf das Summen der Neonleuchten und Faxgeräte und auf das fließende Geplapper der Mädchen, die mit den Modehäusern telefonierten. Auf einmal erschien mir das alles ebenso irrsinnig wie mit einem winzigen grünen Bikini im Koffer in einen afrikanischen Krieg zu reisen.
    »Also, welche Story sollen wir nehmen? Kosmetische Konfusion oder Füllhorn des Fickens?«
    Ich ging zum Fenster und legte meine Stirn ans Glas.
    »Lass das doch bitte, Sarah. Das macht mich immer ganz nervös.«
    »Ich denke nach.«
    »Ich weiß, Darling. Genau das macht mich ja nervös, denn ich weiß, was du denkst. Diese Diskussion haben wir jeden Monat. Aber wir müssen Geschichten bringen, die die Leute lesen wollen. Das weißt du genau.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Mein Sohn ist davon überzeugt, dass er seine ganze Macht verliert, sobald er sein Batmankostüm auszieht.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass man sich täuschen kann. Dass man mit seinen Überzeugungen irren kann.«
    »Du denkst, ich täusche mich?«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, Clarissa. Was das Magazin betrifft, meine ich. Es kommt mir plötzlich alles ein bisschen unwirklich vor.«
    »Natürlich, du Ärmste. Ich weiß gar nicht, weshalb du heute überhaupt gekommen bist. Es ist noch viel zu früh.«
    Ich nickte. »Das hat Lawrence auch gesagt.«
    »Du solltest auf ihn hören.«
    »Das tue ich ja. Ich habe wirklich Glück, dass ich ihn habe. Ich weiß gar nicht, was ich ohne ihn anfangen würde.«
    Clarissa stellte sich neben mich. »Hast du viel mit ihm gesprochen, seit Andrew tot ist?«
    »Er ist bei mir zu Hause. Er tauchte gestern Abend plötzlich auf.«
    »Er ist über Nacht geblieben? Er ist doch verheiratet, oder?«
    »Ach komm, er war schon verheiratet, bevor Andrew starb.«
    Clarissa schüttelte sich leicht. »Ich weiß. Es ist nur ein bisschen unheimlich.«
    »Ach ja?«
    Clarissa blies sich eine Haarsträhne aus den Augen. »Ich meinte, es kommt ein bisschen plötzlich.«
    »Es war nicht meine Idee, wenn du's genau wissen willst.«
    »In diesem Fall kehre ich zu meiner ursprünglichen Wortwahl zurück. Unheimlich.«
    Jetzt standen wir beide da, die Stirn an die Scheibe gelegt, und schauten auf den Verkehr hinunter.
    »Eigentlich bin ich zum Arbeiten hergekommen«, sagte ich nach einer Weile.
    »Schön.«
    »Ich möchte zu der Art Journalismus zurückkehren, die wir anfangs gemacht haben. Lass uns doch dieses eine Mal in der >Real Life<-Sparte tatsächlich über das wirkliche Leben berichten. Mehr will ich gar nicht. Diesmal lasse ich es mir nicht ausreden.«
    »Und? Woran hattest du gedacht?«
    »Ich möchte einen Bericht über Flüchtlinge in Großbritannien bringen. Keine Sorge, wir können es im Stil des Magazins machen. Es kann auch gern um weibliche Flüchtlinge gehen.«
    Clarissa verdrehte die Augen. »Und doch sagt mir etwas in deinem Tonfall, dass du nicht über die Erfahrungen weiblicher Flüchtlinge mit Sexspielzeugen schreiben willst.«
    Ich lächelte.
    »Und wenn ich nein sage?«, fragte Clarissa.
    »Keine Ahnung. Theoretisch könnte ich dich feuern.«
    Sie überlegte einen Moment. »Warum Flüchtlinge? Bist du immer noch sauer, dass wir für die Juni-Ausgabe nicht die Frau aus Bagdad genommen haben?«
    »Ich glaube nur, dass dieses Thema aktuell bleiben

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