Little Brother
gleichen Sackgasse endeten. Wenn ich zu Barbara ging, war es aus für mich. Darauflief es hinaus, ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte.
Als der Schultag vorbei war, wollte ich bloß noch heim und ins Bett kriechen. Aber ich hatte eine Verabredung beim "Bay Guardian" unten am Wasser. Ich hielt meinen Blick auf meine Füße gerichtet, als ich aus dem Tor rauswankte, und als ich in die 24. Straße abbog, lief plötzlich ein zweites Paar Füße neben meinen her. Ich erkannte die Schuhe und blieb stehen.
"Ange?"
Sie sah so aus, wie ich mich fühlte. Übernächtigt, mit Waschbäraugen und einem traurigen Zug um die Mundwinkel.
"Hi du", sagte sie. "Überraschung. Ich hab mir selbst schulfrei gegeben. Konnte mich sowieso nicht mehr konzentrieren."
"Äh."
"Halt den Mund und umarm mich, du Idiot."
Tat ich sofort. Mann, war das gut. Besser als gut. Ich fühlte mich, als hätte ich einen Teil meiner selbst amputiert, und jetzt hätte man ihn wieder angeflickt.
"Ich liebe dich, Marcus Yallow."
"Ich liebe dich, Angela Carvelli."
"Okay", unterbrach sie. "Ich mochte deinen Blogeintrag darüber, warum du nicht mehr jammst. Kann ich respektieren. Und wie weit bist du mit deiner Suche nach einer Methode, sie zu jammen, ohne dich erwischen zu lassen?"
"Ich gehe grade zu einer Verabredung mit einer investigativen Journalistin, die eine Story darüber drucken will, wie ich in den Knast gekommen bin, wie ich das Xnet ins Leben gerufen habe und wie Darryl vom DHS wider- rechtlich in einem Geheimknast auf Treasure Island gefangen gehalten wird."
"Oh." Sie blickte sich kurz um. "Hättest du dir nicht auch was... Ehrgeiziges ausdenken können?"
"Kommst du mit?"
"Ich komm mit, ja. Und wenns dir nichts ausmacht, könntest du mir auf dem Weg dahin auch schon mal alles im Detail erklären."
Nach all den wiederholten Erzählungen fiel mir diese am leichtesten; während wir zur Potrero Avenue und runter zur 15. Straße liefen, hielt sie meine Hand und drückte sie häufig.
Wir nahmen zu den Büroräumen des "Bay Guardian" hoch immer zwei Treppenstufen auf einmal. Mein Herz wummerte. Ich kam am Empfangstresen an und sagte dem gelangweilten Mädchen dahinter: "Ich bin hier mit Barbara Stratford verabredet. Mein Name ist Mr. Green."
"Ich nehme an, Sie meinen Mr. Brown?"
"Ja." Ich errötete. "Mr Brown."
Sie machte irgendwas an ihrem Computer und sagte dann: "Nehmen Sie Platz. Barbara wird in einer Minute bei Ihnen sein. Kann ich Ihnen irgendetwas anbieten?"
"Kaffee", sagten wir wie aus einem Mund. Noch ein Grund, Ange zu lieben: Wir waren von derselben Droge abhängig.
Die Rezeptionistin - eine hübsche Latina, kaum älter als wir, in Gap-Klamotten so alt, dass sie schon wieder retroschick waren - nickte, ging hinaus und kam mit zwei Bechern zurück, die mit dem Logo der Zeitung bedruckt waren.
Wir schlürften still vor uns hin und beobachteten das Kommen und Gehen von Besuchern und Reportern. Endlich kam Barbara auf uns zu. Sie trug ziemlich genau das Gleiche wie in der Nacht zuvor. Stand ihr gut. Sie hob eine Augenbraue, als sie sah, dass ich jemanden mitgebracht hatte.
"Hallo", sagte ich. "Äh, das ist..."
"Ms. Brown", warf Ange ein und streckte ihr die Hand entgegen. Ach klar, unsere Identitäten sollten ja geheim bleiben. "Ich arbeite mit Mr. Green zusammen." Sie stupste mich mit dem Ellenbogen an.
"Gehen wir also", sagte Barbara und führte uns in einen Konferenzraum mit langen Glaswänden, deren Jalousien geschlossen waren. Sie legte ein Tablett voller Whole-Foods-Biokekse, einen Digitalrecorder und wieder einen gelben Block auf den Tisch.
"Möchtest du, dass ich das hier auch aufzeichne?", fragte sie.
Hatte mir darüber echt noch keine Gedanken gemacht. Mir war klar, dass es nützlich sein könnte, wenn ich nachträglich dementieren wollte, was Barbara gedruckt haben würde. Trotzdem: Wenn ich mich nicht drauf verlassen konnte, dass sie meine Aussagen korrekt behandelte, dann war ich sowieso geliefert.
"Nein, ist schon okay", sagte ich.
"Nun gut, dann los. Junge Dame, mein Name ist Barbara Stratford, und ich bin eine investigative Reporterin. Ich vermute, dass Sie wissen, warum ich hier bin, und es würde mich interessieren zu erfahren, warum Sie hier sind."
"Ich arbeite mit Marcus im Xnet. Müssen Sie meinen Namen wissen?"
"Jetzt noch nicht unbedingt", sagte Barbara. "Sie können anonym bleiben, wenn Sie möchten. Marcus, ich hatte dich gebeten, mir diesen Teil der Geschichte zu erzählen, weil ich
Weitere Kostenlose Bücher