Little Brother
aber wir müssen dem Land begreiflich machen, dass sie Terroristen für alles verantwortlich machen müssen, nicht die Regierung. Verstehen Sie mich? Die Nation liebt diese Stadt nicht. Aus ihrer Sicht ist es ein Sodom und Gomorra aus Schwuchteln und Atheisten, die es verdient haben, in der Hölle zu schmoren. Der einzige Grund dafür, dass sich das Land dafür interessiert, was man in San Francisco denkt, ist der glückliche Umstand, dass sie da von irgendwelchen islamischen Terroristen zur Hölle gebombt worden sind.
Diese Xnet-Kinder könnten allmählich nützlich für unsere Zwecke werden. Je radikaler sie werden, desto eher begreift der Rest des Landes, dass die Bedrohungen überall lauern."
Seine Zuhörer beendeten das Tippen.
"Ich denke, wir können das kontrollieren", sagte Frau Strenger Harschnitt. "Unsere Leute im Xnet haben mittlerweile eine Menge Einfluss. Die Mandschurischen Blogger betreiben jeder bis zu fünfzig Blogs, fluten die Chat-Kanäle und verlinken sich gegenseitig. Dabei übernehmen sie die meiste Zeit bloß die Parteilinie, die dieser M1k3y vorgibt, aber sie haben auch schon bewiesen, dass sie radikale Aktionen provozieren können, auch wenn M1k3y gerade auf die Bremse tritt."
Generalmajor Sutherland nickte. "Unser Plan war es, sie noch bis etwa einen Monat vor den Midterms im Untergrund zu lassen." Vermutlich meinte er die Wahlen in der Mitte der Legislaturperiode, nicht meine Prüfungen. "Soweit war das jedenfalls der ursprüngliche Plan. Aber es klingt so, als ob..."
"Für die Midterms haben wir andere Planungen", sagte Rooney. "Es steht noch nichts Genaues fest, aber Sie alle sollten lieber für den Monat vorher keine Reisen mehr planen. Lassen Sie das Xnet jetzt von der Leine, so schnell Sie können. So lange die moderat sind, sind sie ein Risiko. Sorgen Sie dafür, dass sie radikal sind."
Das Video brach ab.
Ange und ich saßen auf der Bettkante und starrten den Bildschirm an. Ange langte nach vorn und startete das Video neu. Wir schauten es noch mal an, und beim zweiten Mal war es noch schlimmer.
Ich schob die Tastatur beiseite und stand auf.
"Ich habs so dermaßen satt, Angst haben zu müssen", sagte ich. "Komm, wir bringen das hier zu Barbara und lassen sie es veröffentlichen. Stellen wir es alles online. Und dann sollen sie kommen und mich abholen. Zumindest weiß ich dann sicher, was mit mir passiert. Dann hab ich wenigstens wieder ein kleines bisschen Gewissheit in meinem Leben."
Ange umarmte und streichelte mich beruhigend. "Ich weiß, Baby, ich weiß. Das alles ist furchtbar. Aber du siehst immer nur das Schlechte und vergisst dabei das Gute. Du hast eine Bewegung ins Leben gerufen. Du hast die Idioten im Weißen Haus und die Betrüger in DHS-Uniform überflügelt. Und du hast dich selbst in eine Position gebracht, in der du dafür verantwortlich sein könntest, diese ganze verdammte DHS-Nummer ans Licht zu bringen.
Natürlich sind sie hinter dir her. Ist doch völlig logisch. Hast du das je auch nur einen Moment lang bezweifelt? Ich wusste das die ganze Zeit. Aber denk dran, Marcus, die wissen nicht, wer du bist. Stell dir das doch mal vor: All die vielen Leute, so viel Geld, Waffen und Spione, und du, ein siebzehnjähriger Schüler, du tanzt ihnen immer noch auf der Nase rum. Die wissen nichts von Barbara. Die wissen nichts von Zeb. Du hast sie auf den Straßen von San Francisco gejammt und sie vor den Augen der ganzen Welt gedemütigt. Also hör auf zu jammern, ja? Du bist der Sieger."
"Trotzdem sind sie hinter mir her. Du siehst es doch. Und sie werden mich für den Rest meines Lebens wegsperren. Vielleicht nicht mal in den Knast. Ich werde einfach verschwinden, so wie Darryl. Vielleicht noch schlimmer, vielleicht nach Syrien. Warum sollten sie mich in Amerika lassen? Ich bin ein Risiko, solange ich in den USA bin."
Sie setzte sich neben mir aufs Bett.
"Ja", sagte sie. "Genau das."
"Genau das."
"Und du weißt auch, was du also tun musst, oder?"
"Was?"
Sie blickte bedeutungsvoll auf meine Tastatur. Ich konnte sehen, dass ihr Tränen die Wangen herabliefen. "Nein! Du bist wohl nicht bei Trost. Glaubst du wirklich, ich würde mit irgendeiner durchgeknallten Internet-Tante wegrennen? Mit einer Spionin?"
"Hast du ne bessere Idee?"
Ich kickte einen ihrer Wäschestapel in die Gegend. "Meinetwegen. Na supi. Ich werde noch mal mit ihr reden."
"Rede mit ihr", sagte Ange. "Schreib ihr, dass du mit deiner Freundin verschwinden willst."
"Was?"
"Halt die Klappe, du
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