Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
eine merkwürdige Erkenntnis, schienen M1k3y wirklich zu vergöttern, und sie würden alles tun, was ich ihnen sagte. Sie grinsten beide wie grenzdebil. Ich fühlte mich unwohl dabei, mir drehte das fast den Magen um.
    "Hört mal, ich muss jetzt sofort mal ins Xnet, aber ohne dafür nach Hause gehen zu müssen oder auch nur in die Nähe. Wohnt ihr beiden hier in der Gegend?"
    "Ich", sagte Nate. "Oben in California Street. Is ne Ecke zu laufen - steile Hügel." Das war ich grade erst den ganzen Weg runtergekommen. Irgendwo da oben war Masha. Trotzdem - es war besser als alles, was ich erwarten durfte.
    "Gehn wir", sagte ich.
    Nate lieh mir sein Baseball-Cap, und wir tauschten die Jacken. Um Schritterkennung musste ich mich nicht kümmern, nicht bei diesen Schmerzen in meinem Knöchel - ich humpelte wie ein Komparse in einem Cowboyfilm.
    Nate lebte in einem riesigen Apartment am oberen Ende von Nob Hill. Das Gebäude hatte einen Portier im roten Mantel mit Goldbrokat, der sich an die Mütze tippte, zu Nate "Mr. Nate" sagte und uns alle willkommen hieß. Das Apartment war makellos und roch nach Möbelpolitur. Ich bemühte mich sehr, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich diese offenkundig mehrere Millionen Dollar teure Eigentumswohnung beeindruckte.
    "Mein Vater", erklärte er. "Er war ein Investmentbanker. Massig Lebensversicherungen. Er ist gestorben, als ich vierzehn war, und wir bekamen alles. Sie waren zwar seit Jahren geschieden, aber er hatte trotzdem meine Mutter als Begünstigte eingesetzt."
    Aus dem wandhohen Fenster hatte man einen gigantischen Blick auf die andere Seite von Nob Hill, ganz bis runter nach Fisherman's Wharf, zum hässlichen Stumpf der Bay Bridge, der Masse von Kränen und Lastern. Durch den Nebel konnte ich gerade eben Treasure Island erkennen. Ganz bis dort hinunter zu schauen weckte in mir das verrückte Bedürfnis zu springen.
    Ich ging mit seiner Xbox über einen riesigen Plasma-Monitor im Wohnzimmer online. Er zeigte mir, wie viele offene WLANs von diesem hohen Standpunkt aus sichtbar waren - zwanzig, dreißig. Das hier war ein guter Platz für einen Xnetter.
    Mein M1k3y-Postfach war enorm voll. 20.000 neue Nachrichten, seit Ange und ich heute früh aufgebrochen waren. Viele waren von Journalisten, die weitere Interviews anfragten, aber das meiste war von den Xnettern, von Leuten, die die Guardian-Story gelesen hatten und mir mitteilen wollten, dass sie alles tun würden, um mir zu helfen, mich mit allem versorgen wollten, was ich brauchte.
    Das gab mir den Rest. Tränen liefen mir die Wangen runter.
    Nate und Liam wechselten Blicke. Ich versuchte aufzuhören, aber es hatte keinen Zweck. Jetzt war ich am Schluchzen. Nate ging zu einem eichenen Bücherschrank und schwenkte eines seiner Regale heraus, was den Blick auf schimmernde Reihen von Flaschen freigab. Er goss einen Schuss von etwas Goldbraunem in ein Glas und brachte es mir.
    "Seltener irischer Whiskey", sagte er. "Moms Lieblingssorte." Er schmeckte wie Feuer und wie Gold. Ich nippte daran und versuchte mich nicht zu verschlucken. Eigentlich mochte ich keine harten Getränke, aber das hier war was anderes. Ich holte ein paar Mal tief Luft.
    "Danke, Nate", sagte ich. Er machte ein Gesicht, als hätte ich ihm gerade einen Orden angeheftet. Er war ein guter Kerl.
    "Na gut", sagte ich und schnappte mir die Tastatur. Die beiden Jungs sahen fasziniert zu, wie ich auf dem Monsterbildschirm meine Mails durchging.
    Wonach ich vor allem suchte, war eine Mail von Ange. Es war ja möglich, dass sie davongekommen war. Das war immer möglich.
    Es war idiotisch, es auch nur zu hoffen. Es war nichts von ihr dabei. Dann fing ich an, die Mails so schnell wie möglich durchzugehen, indem ich nach Presseanfragen, Fan-Mails, Hass-Mails und Spam sortierte...
    Und da fand ich sie: eine Nachricht von Zeb.
    > Es war nicht schön, heute morgen aufzuwachen und den Brief, den du eigentlich zerstören solltest, in der Zeitung abgedruckt zu finden. Überhaupt nicht schön. Gab mir das Gefühl, verfolgt zu werden.
    > Aber ich habe mittlerweile verstanden, warum du es getan hast. Ich bin nicht sicher, dass ich deine Taktik gutheißen kann, aber es ist offensichtlich, dass deine Motive stichhaltig waren.
    > Wenn du dies liest, dann bist du sehr wahrscheinlich in den Untergrund gegangen. Das ist nicht leicht, das habe ich gelernt. Und ich habe noch eine Menge mehr gelernt.
    > Ich kann dir helfen. Ich sollte das für dich tun. Du tust ja auch für mich, was du

Weitere Kostenlose Bücher