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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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nach Schweiß und nach Angst hier hinten.
    Vanessa blickte mich an und biss sich auf die Lippe. Sie hatte Angst. Ich auch. Und auch Jolu, der seine Augen wie wild verdrehte, dass man ständig das Weiße sah. Ich hatte Angst. Und außerdem musste ich pissen wie ein Rennpferd.
    Ich schaute mich nach unseren Kidnappern um. Bislang hatte ich es vermieden, sie anzuschauen, ganz so, wie man es vermeidet, in einen dunklen Schrank zu schauen, wenn man sich grade ausgedacht hat, dass da drin ein Monster lauert. Dann will man einfach nicht wissen, ob man Recht hat.
    Aber ich musste mir diese Kerle, die uns gekidnappt hatten, jetzt mal genauer anschauen. Wenn es Terroristen waren, wollte ich das wissen. Ich wusste allerdings nicht, wie Terroristen aussahen, obwohl Fernseh-Shows sich alle Mühe gegeben hatten, mir beizupulen, dass es braune Araber mit dichten Bärten, Strickmützen und schlabbrigen Baumwollkutten bis runter zu den Knöcheln waren.
    Unsere Kidnapper sahen nicht so aus. Die hätten ebenso gut Cheerleader in der Halbzeitpausen-Show beim Super Bowl sein können. Sie sahen auf eine Art amerikanisch aus, die ich nicht recht beschreiben konnte. Ausgeprägte Kiefer, kurze, ordentliche Haarschnitte, aber nicht wirklich militärisch. Es waren Weiße und Farbige dabei, Männer und Frauen, und sie lächelten sich unbeschwert an, wie sie da am anderen Ende des Lasters zusammensaßen, witzelten und Kaffee aus Pappbechern tranken. Ne, das waren keine Fundis aus Afghanistan: Sie sahen aus wie Touris aus Nebraska.
    Ich fixierte die eine, eine junge Brünette, kaum älter als ich und auf so eine abweisende Business-Art irgendwie süß. Wenn du jemanden lange genug anstarrst, guckt er dich irgendwann auch an. Sie auch; und sofort nahm ihr Gesicht einen völlig anderen Ausdruck an: leidenschaftslos, wie eine Maschine. Das Lächeln war wie ausgeknipst.
    "Hey", sagte ich, "wissen Sie, ich kapier nicht, was hier abgeht, aber ich muss mal pinkeln, ja?"
    Sie guckte durch mich durch, als hätte sie kein Wort gehört.
    "Echt jetzt, wenn ich nicht bald ein Klo finde, gibts hier einen bösen Unfall. Dann wird's hier hinten ziemlich übel riechen, okay?"
    Sie drehte sich zu ihren Kollegen um, sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander, so leise, dass es über die Lüfter der Computer nicht zu verstehen war.
    Dann wandte sie sich wieder zu mir um. "Halt mal noch zehn Minuten an, dann dürft ihr alle mal austreten."
    "Ich glaub nicht, dass ichs noch zehn Minuten halten kann", sagte ich und legte etwas mehr Dringlichkeit in meine Stimme, als ich tatsächlich empfand. "Ehrlich, gute Frau, jetzt oder nie."
    Sie schüttelte den Kopf und guckte mich an, als wär ich der totale Versager. Sie und ihre Freunde berieten sich noch mal, dann kam ein anderer auf mich zu. Er war älter, vielleicht Anfang Dreißig, und mächtig breit in den Schultern wie ein Bodybuilder. Er sah wie ein Chinese oder Koreaner aus - nicht mal Van kann das immer unterscheiden -, aber mit einer Haltung, die "Amerikaner" ausdrückte, ohne dass ich das genauer hätte beschreiben können.
    Er schob seine Sportjacke nach hinten und ließ mich nen Blick auf seine Hardware am Gürtel werfen. Ich erkannte eine Pistole, einen Elektroschocker und eine Dose mit Tränengas oder Pfefferspray, bevor er die Jacke wieder drüberfallen ließ.
    "Keinen Ärger", sagte er.
    "Kein Stück", stimmte ich ihm zu.
    Er berührte irgendwas an seinem Gürtel, die Fesseln hinter mir gaben nach, und meine Arme fielen plötzlich zur Seite. Mann, der Typ schien Batmans Gimmickgürtel zu tragen: Funkfernsteuerung für Fesseln! War aber auch logisch irgendwie: Mit all dem tödlichen Geraffel am Gürtel würde man sich ja nicht über seine Gefangenen beugen wollen - die waren im Stande, sich die Wumme mit den Zähnen zu schnappen und mit der Zunge den Abzug zu ziehen oder so.
    Meine Hände waren immer noch mit so Plastikhandschellen hinter meinem Rücken zusammengebunden, und als ich jetzt nicht mehr von den Fesseln gehalten wurde, stellte ich fest, dass sich meine Beine durch das lange Kauern in einer Position in Korkklumpen verwandelt hatten. Kurzer Sinn: Ich knallte nach vorn aufs Gesicht und zappelte mit den Beinen, die kribbelten wie bescheuert, um sie unter meinen Körper zu bekommen und mich auf die Füße stemmen zu können.
    Der Typ riss mich auf die Füße, und ich wackelte ganz ans Ende des Trucks zu einer kleinen Klokabine. Auf dem Weg versuchte ich Darryl zu entdecken, aber es hätte

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