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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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übers Verhaftetwerden waren in dem Punkt eindeutig: Einfach nur einen Anwalt fordern, egal was sie sagen. Wenn du mit den Bullen sprichst, ohne dass dein Anwalt dabei ist, kommt nichts Gutes bei raus. Diese beiden hier sagten, sie seien keine Bullen. Aber wenn dies keine Verhaftung war, was war es dann?
    Im Nachhinein betrachtet wäre es vielleicht doch gut gewesen, mein Telefon für sie zu entsperren.
     
     
    Kapitel 4
    Sie fesselten mich erneut und stülpten mir wieder einen Sack über, dann ließen sie mich allein. Eine ganze Weile später setzte der Truck sich in Bewegung, bergab, und dann wurde ich wieder auf meine Füße gezerrt. Ich fiel sofort wieder um. Meine Beine waren so eingeschlafen, dass sie sich wie Eisklötze anfühlten, ausgenommen meine Knie, die angeschwollen und wund waren nach all den Stunden im Knien.
    Hände griffen nach meinen Schultern und Füßen, und ich wurde hochgehoben wie ein Sack Kartoffeln. Undeutliche Stimmen waren rings umher zu hören. Jemand weinte. Jemand fluchte.
    Ich wurde eine kurze Strecke weit getragen, dann wieder runtergelassen und an eine andere Strebe gefesselt. Meine Knie trugen mich nun nicht mehr, und ich kippte nach vorn, um verknotet wie eine Brezel liegenzubleiben, die Handgelenke schmerzend vom Ziehen an den Ketten.
    Dann setzten wir uns wieder in Bewegung, und dieses Mal fühlte es sich nicht nach LKW-Fahren an. Der Boden unter mir schwankte sanft und vibrierte vom Stampfen schwerer Diesel, und ich erkannte, dass ich auf einem Schiff war. Mein Magen wurde zum Eisklumpen. Ich wurde von amerikanischem Territorium irgendwo anders hin verschifft, und wer zum Teufel konnte wissen, wo das war? Angst hatte ich vorher schon gehabt, aber dieser Gedanke war entsetzlich, er lähmte mich und machte mich sprachlos vor Furcht. Ich begriff, dass ich möglicherweise meine Eltern nie wieder sehen würde, und spürte Übelkeit in meiner Kehle emporsteigen. Die Tüte über meinem Kopf schien noch enger zu werden, und ich konnte kaum mehr atmen, was durch die bizarre Haltung, in der ich lag, noch verstärkt wurde.
    Glücklicherweise waren wir nicht allzu lang auf dem Wasser. Gefühlsmäßig wars etwa eine Stunde, doch heute weiß ich, dass es bloß 15 Minuten waren; dann spürte ich, wie wir andockten, spürte Schritte auf dem Deck um mich her und spürte, wie andere Gefangene losgebunden und weggetragen oder -geführt wurden. Als sie mich holen kamen, versuchte ich wieder aufzustehen, doch es gelang nicht, und sie trugen mich wieder, unpersönlich und grob.
    Als sie die Kappe wieder entfernten, war ich in einer Zelle.
    Die Zelle war alt und verwittert, und sie roch nach Seeluft. Es gab ein Fenster hoch oben, mit verrosteten Gitterstäben davor. Draußen wars immer noch dunkel. Auf dem Boden lag eine Decke, und eine kleine Metalltoilette ohne Sitz war in die Wand eingelassen. Der Wärter, der meine Kapuze abgenommen hatte, grinste mich an und schloss die schwere Eisentür hinter sich.
    Vorsichtig massierte ich meine Beine und zog die Luft ein, als wieder Blut durch Beine und Hände zu strömen begann. Irgendwann konnte ich aufstehen, dann ein paar Schritte gehen. Ich hörte andere Leute reden, weinen, rufen. Ich rief ebenfalls: "Jolu! Darryl! Vanessa!" Andere Stimmen im Zellenblock griffen die Rufe auf, riefen ebenfalls Namen, brüllten Obszönitäten. Die Stimmen in der Nähe klangen wie Besoffene, die an der Straßenecke delirierten. Vielleicht klang ich ja auch so.
    Wärter brüllten uns zu, wir sollten leise sein, und das machte jeden von uns bloß noch lauter. Bald waren wir alle am Heulen, brüllten uns die Seele aus dem Leib, brüllten, bis die Kehle schmerzte. Warum auch nicht? Was hatten wir noch zu verlieren?
    Als sie mich das nächste Mal zum Verhör holten, war ich verdreckt und müde, durstig und hungrig. Frau Strenger Haarschnitt gehörte auch zur neuen Fragerunde, dazu kamen drei große Typen, die mich rumschubsten wie ein Stück Fleisch. Einer war schwarz, die anderen beiden weiß, einer von ihnen könnte aber auch ein Hispanic gewesen sein. Alle trugen sie Waffen. Ich kam mir vor wie in einer Mischung aus Benetton-Werbung und einer Runde Counter-Strike.
    Sie hatten mich aus der Zelle geholt und meine Handgelenke und Knöchel zusammengekettet. Während wir gingen, achtete ich auf meine Umgebung. Ich hörte Wasser draußen und dachte, dass wir vielleicht auf Alcatraz waren - immerhin war das ein Gefängnis, wenn es auch schon seit Jahrzehnten als Touristenmagnet

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