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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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funktioniert.
    Es hat echt was Befreiendes zu wissen, dass es eine Ecke in deinem Leben gibt, die deine ist, die sonst keiner sieht außer dir. Das ist so ähnlich wie nackt sein oder kacken. Jeder ist hin und wieder nackt, und jeder muss mal aufs Klo. Nichts daran ist beschämend, abseitig oder bizarr. Aber was wäre, wenn ich verfügen würde, dass ab sofort jeder, der mal eben ein paar Feststoffe entsorgen muss, dazu in ein Glashäuschen mitten auf dem Times Square gehen muss, und zwar splitterfasernackt?
    Selbst wenn an deinem Körper nichts verkehrt oder komisch ist - und wer von uns kann das schon behaupten? -, musst du schon ziemlich schräg drauf sein, um die Idee gut zu finden. Die meisten von uns würden schreiend weglaufen; wir würden anhalten, bis wir platzen.
    [x]
    Es geht nicht darum, etwas Verwerfliches zu tun. Es geht darum, etwas Privates zu tun. Es geht um dein Leben und dass es dir gehört.
    Und das nahmen sie mir jetzt weg, Stück für Stück. Auf dem Weg zurück in die Zelle kam dieses Gefühl wieder auf, es irgendwie verdient zu haben. Mein ganzes Leben lang hatte ich alle möglichen Regeln übertreten und war damit meist durchgekommen. Vielleicht wars ja nur gerecht so? Vielleicht kam jetzt meine Vergangenheit zu mir zurück. Immerhin war ich dort gewesen, wo ich war, weil ich die Schule geschwänzt hatte.
    Ich durfte mich duschen. Ich durfte auf den Hof gehen. Man sah ein Fleckchen Himmel oben, und es roch nach Bay Area, aber darüber hinaus hatte ich keinen Schimmer, wo man mich festhielt. Keine anderen Gefangenen waren zu sehen, solange ich mich bewegen durfte, und immer nur im Kreis rumlaufen wurde mir schnell langweilig. Ich bemühte mich, irgendwelche Geräusche aufzuschnappen, die mir Aufschlüsse über diesen Ort geben könnten, aber alles, was ich hörte, war gelegentlicher Fahrzeuglärm, entfernte Unterhaltungen oder mal ein Flugzeug, das in der Nähe landete.
    Sie brachten mich in die Zelle zurück und gaben mir was zu essen: eine halbe Peperoni von Goat Hill Pizza. Die kannte ich gut, sie saßen oben auf Potrero Hill. Der Karton mit der vertrauten Gestaltung und der 415er Telefonnummer erinnerte mich daran, dass ich gestern noch ein freier Mensch in einem freien Land gewesen war und heute ein Gefangener. Ich machte mir ständig Sorgen um Darryl und war unruhig wegen meiner anderen Freunde. Vielleicht waren die ja kooperativer gewesen und freigelassen worden. Vielleicht hatten sies schon meinen Eltern erzählt, und die telefonierten jetzt in der Weltgeschichte rum.
    Vielleicht auch nicht.
    Die Zelle war unglaublich leer, so leer wie meine Seele. Ich stellte mir vor, dass die Wand gegenüber meiner Koje ein Monitor war, dass ich jetzt hacken konnte, dass ich die Zellentür öffnen konnte. Ich träumte von meiner Werkbank und den Projekten, die da auf mich warteten - die alten Dosen, die ich in eine Ghetto-Surroundsound-Anlage verwandeln würde, die Lenkdrachen-Kamera zur Luftbildfotografie, die ich grade baute, meinen Eigenbau-Laptop.
    Ich wollte hier raus. Ich wollte heim zu meinen Freunden, in die Schule, zu meinen Eltern; ich wollte mein Leben zurückhaben. Ich wollte gehen können, wohin ich wollte, nicht dazu verdonnert sein, immer nur im Kreis zu laufen.
    Als nächstes holten sie sich die Passworte für meine USB-Sticks. Da waren ein paar interessante Nachrichten drauf, die ich aus diversen Diskussionsforen runtergeladen hatte, einige Chat-Mitschriften, so Sachen, wo mir Leute mit ihrer Erfahrung ein bisschen bei den Sachen geholfen hatten, die ich halt so tat. Nichts dabei, was man nicht auch mit Google finden könnte, aber ich nahm nicht an, dass man mir das als mildernde Umstände anrechnen würde.
    An diesem Nachmittag bekam ich wieder Bewegung, und dieses Mal waren auch andere im Hof, als ich rauskam: vier Typen und zwei Frauen verschiedensten Alters und ethnischer Zugehörigkeit. Schätze mal, eine Menge Leute taten Dinge, um sich "Privilegien" zu verdienen.
    Sie gaben mir ne halbe Stunde, und ich versuchte, mit dem am normalsten aussehenden Häftling ins Gespräch zu kommen: einem Schwarzen etwa meines Alters mit kurzem Afroschnitt. Aber als ich mich vorstellte und die Hand ausstreckte, drehte er bloß die Augen in Richtung der Kameras, die in den Hofecken angebracht waren, und lief weiter, ohne auch nur eine Miene zu verziehen.
    Aber dann, kurz bevor sie meinen Namen ausrufen würden, um mich ins Gebäude zurückzubringen, öffnete sich die Tür, und heraus kam -

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