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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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wo sie so ziemlich alles akzeptierten, vorausgesetzt, es stand unter einer remix- und weitergabefähigen Creative-Commons-Lizenz. Das US-"Archive" - im Presidio, nur ein paar Minuten von hier - war gezwungen worden, all diese Videos im Namen der nationalen Sicherheit vom Netz zu nehmen, aber das "Archive" in Alexandria hatte sich als eigenständige Organisation abgespalten und hostete jetzt alles, was geeignet war, die Vereinigten Staaten zu verärgern.
    Dieser Junge - sein Nick war Kameraspie - hatte mir diesmal ein noch besseres Video geschickt. Es war im Eingang zur City Hall im Civic Center aufgenommen, dieser riesigen Hochzeitstorte von einem Haus, voll mit Statuen in kleinen Bogengängen, vergoldeten Blättern und Gedöns. Das DHS hatte rund um das Gebäude eine Sicherheitszone eingerichtet, und Kameraspies Video zeigte eine Ansicht ihres Checkpoints, während sich ein Typ in Offiziersuniform näherte, seinen Ausweis zeigte und seine Aktentasche auf das Röntgenband stellte.
    Alles war okay, bis einer der DHS-Leute auf dem Röntgenbild etwas sah, das ihm nicht gefiel. Er stellte dem General Fragen, und der rollte mit den Augen und sagte etwas Unhörbares (das Video war von der anderen Straßenseite aufgenommen, offenkundig mit einem getarnten Eigenbau-Zoom, deshalb war die Tonspur voll mit Geräuschen von vorbeieilenden Passanten und dem Straßenverkehr).
    Der General und die Leute vom DHS gerieten aneinander, und je länger sie diskutierten, desto mehr DHS-Typen scharten sich dazu. Schließlich schüttelte der General verärgert den Kopf, wies mit dem Finger auf die Brust des einen DHSlers, schnappte sich die Aktentasche und ging davon. Die DHS-Typen riefen ihm nach, aber er wurde nicht langsamer. Seine Körpersprache sagte überdeutlich "ich bin äußerst verärgert".
    Dann geschah es. Die DHS-Typen rannten dem General hinterher. Kameraspie hatte das Video hier verlangsamt, so dass man in extremer Zeitlupe, Bild für Bild, das Gesicht des Generals sehen konnte: Wie er sich halb umdrehte mit diesem Ausdruck im Gesicht, der besagte "Ihr werdet den Teufel tun, mich zu tackeln", und wie der Ausdruck sich in Entsetzen verwandelte, als sich drei der riesigen DHS-Wachen auf ihn stürzten, ihn zur Seite stießen und dann um die Hüfte fassten, als wäre dies das letzte Football-Tackling in seiner Karriere. Der General - schon etwas älter, mit stahlgrauem Haar, zerfurchtem und würdevollem Gesicht - ging zu Boden wie ein Sack Kartoffeln, schlug zweimal hart auf, sein Gesicht knallte auf den Bürgersteig, und Blut schoss aus seiner Nase.
    Das DHS verschnürte den General, fesselte ihn an Händen und Füßen. Der General brüllte jetzt, und wie er brüllte, sein Gesicht verfärbt von dem Blut, das ihm immer noch aus der Nase strömte. Beine flitzten durchs Bild. In der starken Tele-Einstellung sah man vorbeikommende Fußgänger zuschauen, wie man diesen Typ in Uniform fesselte, und seinem Gesicht war zu entnehmen, dass dies das Schlimmste von allem war - dies war rituelle Erniedrigung, der Raub seiner Würde. Hier endete der Clip.
    "Ach du mein süßer Buddha", sagte ich, während der Schirm schwarz wurde und ich das Video nochmals startete.
    Ich stupste Ange an und zeigte ihr den Clip. Sie sagte kein Wort und betrachtete den Film mit offenem Mund.
    "Lad das ja hoch!", sagte sie. "Los, hochladen hochladen hochladen hochladen hochladen!" Ich lud ihn hoch. Ich konnte kaum tippen vor Aufregung, als ich aufschrieb, was ich hier gesehen hatte; und ich fügte eine Notiz an, ob wohl jemand den Offizier im Video identifizieren könne oder etwas über die Sache wisse.
    Ich drückte auf "Veröffentlichen".
    Dann sahen wir uns das Video noch einmal an. Und noch einmal.
    Mein E-Mail-Programm meldete sich.
    > Ich erkenn den Kerl ganz sicher - du findest seine Bio in der Wikipedia. Das ist General Claude Geist. Er war Kommandeur der UN-Friedenstruppen in Haiti.
    Ich schlug die Bio nach. Es gab da ein Bild des Generals bei einer Pressekonferenz und Anmerkungen über seine Rolle bei der kniffligen Haiti-Mission. Es war offensichtlich derselbe Typ.
    Ich aktualisierte meinen Blogeintrag.
    Theoretisch war dies die Chance für Ange und mich, ein bisschen rumzumachen, aber daraus wurde schließlich doch nichts. Wir stöberten durch die Blogs im Xnet und suchten nach weiteren Berichten über Durchsuchungen und Übergriffe durch das DHS. Das war schon ein Routinejob, weil ich dasselbe bereits nach den Ausschreitungen im Park gemacht hatte.

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