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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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vor.
    Natürlich war es, sobald ich mal vor dem Laptop saß, unvermeidlich, dass ich einen kurzen Blick in meine Mails warf – das wäre sonst, wie in die Küche zu gehen, ohne sich einen Keks zu schnappen.
    > Von: Leaky McLeakerpants
    > An:
    > Betreff: carrie johnstone d0x
    > falls du bedarf hast
    Darunter war eine kleine Guy-Fawkes-Maske in ASCII -Art, und an der Mail hing ein gigantischer Zip-File.
    Ich hatte eine recht konkrete Vorstellung davon, was mich da erwartete: einfach alles zu Carrie Johnstone und ihren Machenschaften, das man sich nur denken konnte. Ich hatte schon Sammlungen gesehen, die selbst die Schulzeugnisse der zweiten Klasse enthielten oder Krankenakten der Kinder, einfach alles. Wenn jemand ged0xt wurde, gab es keine Tabus.
    Ich klappte meinen Laptop zu und schloss die Augen.
    Eigentlich wollte ich die Dateien in diesem Archiv gar nicht sehen. Ich hatte bereits genug geheime Dokumente in meinem Leben. Und ich wusste, wie es war, wenn einem der letzte Rest von Privatsphäre geraubt wurde. Carrie Johnstone hatte es mit mir gemacht; genau wie die Spinner, die sich Zugriff auf meinen Laptop verschafft hatten. Irgendwo dort draußen las vielleicht gerade jemand eine Mail, deren Betreff »Marcus Yallow d0x« lautete.
    Natürlich wusste ich aber, dass ich das Archiv trotzdem öffnen würde. Das stand außer Frage. Wer würde es nicht? Carrie Johnstone war ein Monster: Entführerin, Folterin, Mörderin. Kriegsverbrecherin. Machtgeile Söldnerin. Mutter aller Mistkerle. Und sie war hinter mir her, das sollte man nicht vergessen. Würde Zyz jetzt, wo alles ans Licht gebracht war, nicht zurückkommen? Wie lange würde es wohl dauern, bis ich Timmy und Knotenkopf wiedertraf? Ob ich vielleicht doch noch im Hafenbecken landete?
    Ich musste es mir einfach anschauen. Es war reiner Selbstschutz. Wahrscheinlich war es sogar der einzige Grund, weshalb mich Carrie Johnstone noch nicht in ihren privaten Folterkeller gesteckt hatte: weil sie mich für geschickt genug hielt, dass ich genau diese Art von Dossier schon besaß und es so eingerichtet hatte, es im Falle meines Verschwindens im Netz veröffentlichen zu lassen. Leute wie Carrie Johnstone gehen immer davon aus, dass jeder wie sie selbst denkt. Leute wie ich sind dafür zu anständig. Aber manchmal haben wir es uns verdient, einen Blick in die Schmutzwäsche anderer Leute zu werfen. Besonders in die Wäsche unanständiger Leute.
    Ich war wirklich ein Feigling.
    Ich öffnete das Archiv und begann mich durch die Files zu blättern.
    Jeder andere hätte dasselbe getan.
    »Marcus?«, fragte jemand eine halbe Ewigkeit später. Es war Lemmy, der Ange und mich vom Burning Man mitgenommen hatte. Lemmy war ein alter Expunk um die vierzig mit ausgeleierten Ohrlöchern und verblassten Tattoos auf den Armen. In der Werkstatt war er ein Halbgott, und wenn ich mal eine Frage zu irgendwas Großem, Schnellem, Tödlichem hätte, wäre er meine erste Adresse. Bislang hatte ich immer den Eindruck gehabt, dass er meine kleinen Elektronikprojekte für niedliches Spielzeug hielt; spaßig, aber nicht so ernst zu nehmen wie irgendein Riesenteil aus präzisionsgefertigtem Stahl.
    Mir war, als hätte er schon eine ganze Weile geredet, ohne dass ich es mitbekommen hatte.
    »Sorry«, sagte ich. »Ist ziemlich fesselnde Lektüre.«
    Er grinste. »Ich wollte bloß zu den anderen auf die große Demo und vielleicht ein paar Drohnen mitnehmen. Hättest du Bock, mitzukommen und mir zu helfen?«
    »Es gibt wieder ’ne Demo?«
    Er lachte. »Alter, mach vielleicht mal öfter Pause! Dass gestern was Großes war, hast du mitgekriegt? Na, wie’s aussieht, kommt jeder, der gestern dabei war, heute noch mal, bloß diesmal mitsamt allen Freunden. Die Innenstadt ist schon völlig dicht. Ich hab ein bisschen mit meinen Quadrocoptern gespielt und mir gedacht, vielleicht kann ich ja ein paar geile Bilder schießen. Ich hab sie auch als WLAN -Bridges für 4G-Netzwerke ausgerüstet, damit könnten wir den Leuten freies Internet zur Verfügung stellen. Außerdem orientieren sich die Dinger am Polizeifunk und an den Notruffrequenzen, damit sie sich automatisch dort positionieren, wo auf den Kanälen am meisten los ist. Sollte also spannend werden. Bin allerdings nicht so der Programmierer, deshalb dachte ich mir, ich könnte beim Jungfernflug ’ne gute Bodencrew gebrauchen – falls wir on the fly was basteln müssen.«
    Von Coptern hatte Lemmy auf jeden Fall Ahnung, auch

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