Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
wenn ich annahm, dass ihm ein ferngesteuerter Panzer oder etwas in der Art noch lieber gewesen wäre, Hauptsache es hatte eine Menge glänzendes Metall. Ich schaute auf meinen Schirm, der mir zuzurufen schien: Alles, was du jemals über Carrie Johnstone hast wissen wollen, ist hier drin.
Ich konnte den Blick kaum abwenden, musste mich gewaltsam davon lösen.
»Also gut, gehen wir«, sagte ich schließlich, klappte Schleicher zu und packte ihn weg. »Als Programmierer bist du nämlich echt ’ne Null, Alter.«
»Stimmt«, gab er wohlgemut zu. »Das ist mir zu frickelig. Ich hab’s mehr mit den großen Sachen.«
Lemmy wollte fahren – es wäre auch zu schwer gewesen, vier Mini-Quadrocopter bis zur Demo zu tragen – , aber die Straßen waren so verstopft, dass wir genauso gut hätten laufen können. Unterwegs machte ich mich mit Lemmys Steuersoftware vertraut, die auf einigen Standardprogrammbibliotheken basierte, mit denen ich schon Erfahrung gesammelt hatte. Vor allem waren es Systeme zu Steuerung von Minidrohnen und für den Betrieb von softwaredefiniertem Funk.
SDR – Software Defined Radio – ist ziemlich cool und hat sich weitgehend unbemerkt immer mehr ausgebreitet. Altmodische Radios funktionieren mit einem kleinen Quarzkristall wie dem in einer Armbanduhr. Quarz schwingt mit einer bestimmten, bei der Herstellung definierten Frequenz. Drumherum baut man einen Stromkreis, und das war’s im Prinzip schon. Ein solches Radio kann alle Signale empfangen, die in den Frequenzbereich des Kristalls fallen. Manche Radios sind auf GPS ausgelegt, andere auf Mobilfunknetze, UKW und so weiter.
SDR ist aber programmierbar. Statt eines Kristalls nutzt es einen schnellen Analog-digital-Umsetzer, mit dem man beliebige analoge Signale (wie Licht von einer Kamera, Schall von einem Mikrofon) in Nullen und Einsen umwandeln kann. Dieses winzige elektronische Teil schließt man an eine Antenne an und sagt ihm, welches Frequenzband esabhören soll; dann braucht man nur noch Standardsoftware, die aus dem Empfangenen wieder etwas Sinnvolles macht.
In der Praxis bedeutet das, dass man denselben Empfänger für Luftverkehr, Polizeifunk, CB -Funk, Analog- TV , Digital- TV , Mittelwelle, UKW , Satellitenrundfunk, GPS , Babyfone, WLAN in allen Geschmäckern und jedes Handynetz, das je erfunden wurde, nutzen kann, und zwar gleichzeitig , solange der Umsetzer schnell genug, die Antenne groß genug und die Software schlau genug ist. Es ist das Radiowellenäquivalent eines Autos, das sich bei Bedarf in ein Fahrrad, einen Jumbojet, einen Zeppelin, ein Kreuzfahrtschiff oder ein Motorrad verwandeln kann, einfach, indem es eine andere Software lädt. Echt geil.
Lemmys Drohnen waren mit Standard- SDR s einer Open-Source-Hardware-Firma namens Adafruit aus New York ausgerüstet. Adafruit verkaufte ihre Komponenten mitsamt Quellcode und Schaltplänen – mit allem, was man brauchte, um sie an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Gerade ihr SDR war im Noisebridge sehr beliebt, und da es viele tausend Hacker und Bastler auf der Welt gab, die ebenfalls damit arbeiteten (oder mit den Konkurrenzprodukten, die auf denselben Plänen basierten), gab es massenhaft guten und umfassend dokumentierten Code dafür.
Ich arbeitete mich also ein und bekam nur am Rande mit, dass das Auto immer wieder hielt, weiterfuhr und abbog, während Lemmy nach einem Parkplatz in der Nähe der Demo suchte.
»Wie ist Ihre Prognose, Herr Doktor?«, fragte er schließlich, als er die Handbremse anzog. »Kommt mein Code durch?«
Ich zuckte die Achseln. »Sieht so weit ganz gut aus. Sehe ich das richtig, dass du einfach den Beispielcode aus den Anleitungen kopiert und jedes Modul mit den anderen verknüpft hast?«
Er grinste. »Erwischt. Für mich ist Code wie eine Fertigbackmischung: in eine Schüssel damit, Ei und Wasser dazu, umrühren und in den Ofen. Wird nicht immer schön, aber immer ein Kuchen.«
»Dann schauen wir mal, ob er auch schmeckt.«
Ich stieg aus, was gar nicht so leicht war, da wir an einem steilen Hang parkten. Mir war erst gar nicht klar, wo wir uns befanden. »Sind wir etwa auf der anderen Seite von Nob Hill?«, staunte ich.
»Ja. Näher ran ging nicht. Die Demo ist riesig .«
»Aber wir müssen doch noch gut eine Meile oder so davon weg sein, oder?«
»Gar nicht mal. Und der Protest wächst immer weiter. Vielleicht hat er sich zum Abend schon bis hierher ausgebreitet. Da passiert was – die Leute sind richtig sauer. Ich wohne hier schon seit
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