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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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keinen Herzinfarkt wegen meiner Festnahme kriegt. Wieso?«
    Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern. »Mein Handy funktioniert noch.«
    Der Bewusstlose neben mir regte sich, öffnete ein Auge einen Spalt weit und nuschelte irgendetwas.
    »Was?«, fragte ich und beugte mich vor.
    »415–285–1011«, wiederholte er. »National Lawyers Guild San Francisco. Wenn du ein Handy hast, wäre es eine nette Geste, die anzurufen.«
    Vorne im Bus, auf der anderen Seite des Gitters, das uns einschloss, saß ein Aufpasser, aber der beachtete uns kaum. Vielleicht hatte er aber auch ein verstecktes Mikro und belauschte jedes einzelne Wort durch einen unsichtbaren Kopfhörer.
    »Gut«, sagte ich. »Meinst du denn, du kommst an meine Hosentasche ran, wenn ich etwas rutsche?«
    Er bewegte sich und sog scharf die Luft ein. »Glaube nicht. Schätze, mein Arm ist hinüber.«
    Ich schaute genauer hin: Der nähere seiner Arme stand definitiv in einem komischen Winkel ab. Er musste schreckliche Schmerzen leiden. Ich wandte mich wieder an das Mädchen vor mir. »Kommst du vielleicht an mein Handy?«
    Sie verrenkte sich den Hals und schaute mich an. »Vielleicht«, sagte sie zweifelnd. »Aber wie wollen wir wählen?«
    »Keine Ahnung. Können wir immer noch sehen, wenn’s so weit ist.«
    Ich rutschte herum, sodass mein Hüfte näher an ihren gefesselten Händen war. Dabei stieß ich meinen Nachbarn an, der vor Schmerz wieder zischte, aber nichts weiter sagte. Ich entschuldigte mich bei ihm.
    Der nächste Teil war richtig hart. Wir hatten uns nun beide so gedreht, dass wir mit den Beinen Richtung Gang saßen. Mein Handy war in der vorderen Hosentasche. Um es näher an ihre Hände zu bringen, musste ich mich also von ihr wegdrehen und etwas nach hinten rücken. Dann musste sie mit gefesselten Händen und ohne hinzusehen die Tasche finden.
    »Igitt«, sagte sie da.
    »Ist nicht von mir – jemand hat mich vollgekotzt.«
    »Danke, das macht’s schon viel besser.«
    Sie zwängte Daumen und Zeigefinger in meine Tasche, drang tiefer, bekam mein Handy zu fassen und begann, es herauszuziehen. Als sie es halb geschafft hatte, rutschte sie ab, und ich dachte schon, das Handy würde zu Boden fallen, verdrehte aber noch rechtzeitig die Hüfte, sodass es zurückrutschte. Sie versuchte es noch einmal, und diesmal gelang es ihr.
    »Einen Moment«, meinte sie. »Die Fesseln sitzen so fest, dass ich kaum die Hände bewegen kann, und Herumwackeln bringt auch nichts.«
    »Lass dir Zeit. Kannst du mir das Handy in die Hand legen?«
    Ich rückte näher, bis sich unsere Hände berührten. Sie presste mir das Telefon in die Hand.
    Während sie Finger und Gelenke bewegte, um die Durchblutung wieder anzuregen, drehte und wendete ich mein Telefon hinter dem Rücken in der Hand. Ich dachte an die Zeit zurück, als Handys noch richtige Knöpfe hatten, die man ertasten und ohne hinzusehen drücken konnte. Ich spürte das Handy in meiner Hand, seine vertraute Form, meinen Daumen auf dem Power-Schalter. Ich machte es an und ließ meinen Finger über den Schirm gleiten, spürte das haptische Feedback – die leichten Vibrationen, mit denen das Handy einem anzeigte, dass man über eine sensitive Region strich und im Begriff war, etwas zu tun. Ich zählte sorgfältig die vier Vibrationen von unten nach oben und die drei von links nach rechts, um mir das Tastenfeld zu vergegenwärtigen. Das war der Lockscreen meines Handys, der ein extrasicheres Passwort aus acht Ziffern verlangte – weil ich halt mal ein Paranoiker bin.
    Danke, Paranoia. Ich musste also acht Ziffern korrekt eingeben, blind und mit halb tauben Händen. Und ohne dass die Polizei etwas mitbekam.
    »Was machst du?«, fragte das Mädchen.
    »Ich glaube, dass mein Finger auf der Eins ist … Stimmt das?«
    »Keine Ahnung. Du hältst das Handy falsch rum.«
    Na super. Uns stand noch eine Menge Spaß bevor. Ich verdrehte meine Hand, damit der Schirm in ihre Richtung zeigte. Meine Finger fühlten sich an, als vollführte ich den schwersten und dümmsten Zaubertrick der Welt.
    »Deine Finger sind jetzt auf der Eins, der Neun, der Drei und der Sechs.«
    Wieder baute ich meine Hand um, bis nur noch einer meiner Zeigefinger auf dem Glas lag. Er musste jetzt einen auf Zaubertrick machen, während ich das Handy nur noch an den Rändern festhielt.
    »Jetzt ist dein Finger auf der Eins.«
    Ich bewegte ihn. »Drei, richtig?«
    »Ja, aber du hast unterwegs noch die Zwei erwischt.«
    Ich biss mir auf die Zunge und zählte

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