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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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uns anschließend in unsere Käfige zu sperren.
    Einen flüchtigen Moment lang war ich mir beinahe sicher, dass ich mir einfach meine Unterhose hätte anziehen können, um zum nächsten Bullen zu gehen und zu sagen: »Lassen wir den Quatsch doch einfach.« Schließlich waren wir beide normale Menschen und lebten in derselben Stadt mit denselben Problemen; wieso also sollten wir nicht auch vernünftig darüber reden können? Vielleicht hatte er ja selbstKinder, die eines Tages mal eine Viertelmillion an Studienkrediten würden abbezahlen müssen. Vielleicht waren er oder seine Eltern auch im Begriff, das Haus zu verlieren – so jung, wie er war, hatte er vielleicht noch gar kein eigenes.
    Doch der Moment ging vorüber. Unsere Kleider wurden noch einmal ausgeschüttelt, dann durften wir uns wieder anziehen. Allerdings fesselten sie uns auch wieder. Ich sprach ein stilles Gebet, dass mir diesmal wenigstens die Fußfesseln erspart bleiben würden, und dachte schon, der Kelch ginge wirklich an mir vorüber, als sich der Bulle, der mich verschnürte, wieder daran zu erinnern schien.
    »Ist schon okay«, wehrte ich ab. »Ist nicht mehr nötig.«
    Doch er tat so, als hätte er nichts gehört, packte einen meiner Knöchel und schickte sich an, mich wieder genauso wie vorher zu fesseln.
    »Ehrlich, Mann.« Ich bettelte jetzt regelrecht und hasste mich dafür. »Das muss doch wirklich nicht sein.«
    Er schaute mich nur an und schnaubte. »Irgendwas hast du wohl gemacht, dir die zu verdienen. Ist nicht mein Job, zu entscheiden, wann du sie wieder loswirst.«
    Ich schloss die Augen. Der Typ hatte keine Ahnung, warum ich gefesselt war, aber weil ich gefesselt war, hatte ich es wohl auch verdient. »Tom« war längst Geschichte, genau wie der ältere Bulle, der mir geholfen hatte. Doch anscheinend durfte ich diese Fesseln nun tragen, bis man mich irgendwann einem Richter vorführen würde (und der würde mir dann wahrscheinlich die Freilassung gegen Kaution verwehren, weil ich ja ein derart gefährlicher Gefangener war, dass man mir sogar Fußfesseln hatte anlegen müssen).
    Ich schlurfte hinaus. In die Halle vor dem Büro hatte man zahllose Drahtkäfige eingezogen, lange Reihen, so weit das Auge reichte. Sie bestanden aus Maschendraht und Stahlstangen, die in regelmäßigem Abstand in Boden und Decke geschraubt waren und die Halle in kleine Gehege unterteilten. In jedem befanden sich ein elektrisches Türschloss, eine nicht abgeteilte chemische Toilette und eine Auswahl grimmig dreinblickender Gefangener. Männer waren auf der einen Seite des zentralen Gangs untergebracht, Frauen auf der anderen.
    Einen nach dem anderen steckten uns die Bullen in unsere Zellen, wobei sie den Instruktionen auf ihren stoßgeschützten, Military-Look-Computern folgten. Ich fand zu der Erkenntnis, dass »military« wahrscheinlich der langweiligste Modetrend der Welt ist.
    Manchmal zwängten sie Leute in Zellen, die schon so überfüllt waren, dass es keinen Platz mehr zum Sitzen gab, andere Zellen standen praktisch leer. Der Algorithmus, den sie für unsere Aufteilung benutzten, schien einen gewissen Sinn für Humor zu haben.
    Ich landete in einer der fast leeren Zellen und war dankbar dafür, dass man mir die Hände diesmal vor dem Körper gefesselt hatte, denn so konnte ich mich wenigstens auf die Toilette setzen und dem Bedürfnis nachgeben, das mich die letzten Stunden umgetrieben hatte; selbst wenn es jetzt vor aller Augen geschehen musste. Ich schaffte es sogar, mich danach wieder halbwegs anzuziehen.
    Ein paar Stunden später war die Zelle ziemlich voll. Ganz recht, Stunden. Bald kam es mir so vor, als wären wir schon einen ganzen Tag hier drin, auch wenn wir kein Tageslicht sahen und alle Uhren und Handys konfisziert worden waren. Ich lernte ein paar meiner Zellengenossen kennen, und jemand weiter hinten versuchte sich an einem Mic-Check und einer kleinen Rede dazu, wie scheiße man uns hier behandelte. Der Redner rief die Polizisten auf, sich an das Gesetz zu halten, uns unseren Anruf machen zu lassen und uns Essen und Wasser zu geben. Die Gefangenen jubelten, doch die Bullen taten einfach wieder so, als hätten sie nichts gehört.
    Die Stunden schleppten sich dahin.
    Mittlerweile waren so viele Leute gekommen und gegangen, dass ich nicht mehr darauf achtete. Ich hatte Hunger und Durst, die Toilette war übergelaufen und produzierte einen ekelerregenden Gestank und einen widerlich schleimigen Chemiefilm auf dem Boden, der den wenigen Platz

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