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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Distanz. Als ich mir die ganzen Zahlungen von Zyz so anschaute, fiel mir auf, dass in allen eine IBAN -Nummer – die »International Bank Account Number« – genannt wurde. Mit diesem Suchbegriff fiel es leicht, alle Dateien zu isolieren, die etwas mit Zahlungsverkehr zu tun hatten. Es zeigte sich, dass Johnstone wirklich eine Menge Geld von Zyz hin und her schob und sie sich auch in der Wahlkampfhilfe engagierte. Vielleicht benutzte sie die Familienkonten auch, um diese Zahlungen zu verschleiern.
    Es dauerte nicht lange herauszufinden, dass Johnstone vor allem Spendenkonten von Politikern bediente, die eine großzügige Gesetzgebung für das Eintreiben von Schulden unterstützten. Und da fiel bei mir der Groschen: Die Darknet-Docs belegten zwar, dass man auf die Familien verschuldeter Studenten Druck ausübte, doch hier war die Tatwaffe mit den Fingerabdrücken der Täter: das Geld, das Zyz über Mittelsmänner an die Politiker zahlte, um diesen Druck möglich zu machen.
    Inzwischen war es drei Uhr morgens, und ich musste am nächsten Tag auf jeden Fall zur Arbeit, auch wenn es Samstag war, und zwar mit einem klaren Kopf. Es würde ein wichtiger Tag werden – konnte gut sein, dass man uns durch irgendwelche juristischen Verfügungen zwingen würde, unsere Seite vom Netz zu nehmen, und ich mir eine Lösung dafür überlegen musste. Wie hätte ich unter diesen Umständen noch ruhig schlafen können? Ich war hellwach.
    Also nahm ich meinen Laptop mit runter in die Küche und machte mir einen Käsetoast – meinen bevorzugten Mitternachtssnack. Dann drückte ich mich zehn Minuten lang an der Kaffeemaschine herum, unfähig, mich für oder gegen das Einschalten zu entscheiden. Wenn ich jetzt einen Kaffee trank, würde ich wirklich den Rest der Nacht durchmachen. Doch selbst wenn ich auf Kaffee verzichtete, würde ich es wahrscheinlich nicht mehr ins Bett schaffen. Ein guter alter Bohnensaft würde mir wenigstens zu etwas mehr Durchblick verhelfen.
    Also machte ich mir mit der AeroPress einen doppelten Espresso, und dann noch einen, weil man auf einem Bein schlecht stehen kann, setzte mich mit dem Laptop an den Küchentisch und las und las. Ich befasste mich sogar noch einmal mit den Bildern.
    Plötzlich öffnete sich ein Chat-Fenster. Das passierte mir nicht sonderlich oft. Seit ich für Joe arbeitete, hatte ich mich mit meinem Hauptaccount nicht mehr angemeldet, und den anderen kannte so gut wie niemand.
    > hey jolu
    > hallo nachteule – schön, dass ich nicht der einzige bin, der um die zeit noch auf ist
    > wieso bist du noch wach?
    > streit mit kylie
    > oh
    Ich zögerte.
    > soll das heißen, ihr beide habt euch voneinander ge …
    > mehr oder weniger. ist kompliziert
    Ich hatte keinen Schimmer von seinem Privatleben gehabt, auch wenn es natürlich nur normal war, dass er eins hatte. Aber Kylie? War die nicht zu alt für ihn? Na ja, eigentlich war sie nur ein paar Jahre älter als wir, aber sie war so … erwachsen. Bei unserem Treffen war sie mehr wie Jolus Boss aufgetreten.
    > hast du vielleicht bock noch was essen zu gehen?
    Das war der erste vernünftige Vorschlag, den mir heute jemand machte.
    > ja verdammt
    > ich hol dich in ner viertelstunde ab
    San Francisco ist ein ziemlicher guter Ort, wenn man nach drei Uhr morgens noch was essen gehen will. Ich glaube zwar gern, dass New York da noch besser aufgestellt ist, aber es mangelt uns nicht an Auswahl.
    Wir landeten im Stadtteil Tenderloin, und zwar in einem dieser Fünfzigerjahre-Diner, die rund um die Uhr geöffnet haben und eine wilde Mischung aus Touristen mit Jetlag, Nutten, dienstfreien Bullen, Obdachlosen und Schichtarbeitern anziehen … Und uns.
    »Ich finde, du müsstest was richtig Abseitiges tun«, sagte Jolu, nachdem ich ihm alles erzählt hatte. »Du hast da zwei echt schräge Fraktionen an der Backe, die dich beide irgendwie manipulieren wollen. Alle versuchen, deinen nächsten Zug zu erraten und dich zu steuern. Sie sind gerissen, ziemlich neben der Spur und haben keine Skrupel. Du hast nur eine einzige Möglichkeit, ihnen jetzt noch einen Schritt voraus zu sein: Mach etwas völlig Durchgeknalltes. Zieh nach Albanien. Seil dich von der Golden Gate Bridge ab. Werd ein Trappistenmönch.«
    »Du bist mir wirklich eine große Hilfe, vielen Dank auch.«
    »Jetzt komm schon – das ist ein Riesenfortschritt im Vergleich zu ›Hast du Schiss und bist allein … ‹«
    »Noch mal: Das ist echt sehr hilfreich.«
    »Es ist vier Uhr früh, was erwartest du

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