Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
besorgen, den sie so mochte, und zum Duschen und gemeinsamen Frühstück bei ihr vorbeizuschauen.
Wie sich herausstellte, hatte ihre Mutter einen frühen Termin, und ihre Schwester übernachtete für das Wochenende bei einer Freundin, von daher hatten wir ihr Bett und eigentlich das ganze Haus für uns und konnten uns nach Belieben mit Walnusskuchen und anderen Dingen vergnügen. Ich hatte dieses quälende Gefühl, längst viel zu spät zu sein, doch immer, wenn ich auf die Uhr schaute, war es noch unchristlich früh, von daher ließen wir uns Zeit. Im Endeffekt kam ich immer noch zehn Minuten zu früh ins Büro, grinsend wie ein alter Schmutzfink, und in besserer Verfassung als die ganzen letzten Wochen.
Jolu hatte recht: Ich musste einen Schritt in die richtige Richtung tun, aber flexibel genug sein, um in Bewegung zu bleiben, egal, was passierte. Und von all meinen Problemen war das größte Problem Carrie Johnstone. Solange sie es auf mich abgesehen hatte, war ich in Gefahr und nicht in der Lage, irgendwas sonst richtig anzugehen. Ich würde mich also als Erstes um sie kümmern müssen, und dazu würde ich die Hilfe von Joe Noss brauchen.
»Wo steckt Joe?« So früh ich auch sein mochte, zumal es Samstag war: Flor war immer noch früher dran als ich.
Einen Moment schaute sie mich unschlüssig an, dann rang sie sich zu einer Antwort durch. »Er redet gerade mit dem FBI .«
»Mit dem FBI ? Dem richtigen FBI ? Du meinst die Typen mit Sonnenbrille und Anzug?«
»Genau die.«
»Oh. Versucht denn jemand ihn umzubringen, oder was ist los?«
Flor lächelte schwach. »Nichts in der Richtung. Zumindest noch nicht. Aber wenn er sein Ziel erreicht, wovon ich überzeugt bin, dann kommt das sicher auch noch. Nein, das FBI interessiert sich für die Dokumente auf unserer Webseite.«
»Oh.« Natürlich. Und wo sie jetzt schon mit ihm darüber sprachen, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie auch zu mir kamen. Und dann würde ich entweder einem Haufen Hardcore-Bullen ins Gesicht lügen oder ihnen alles beichten müssen. Keine der beiden Optionen schmeckte mir sonderlich. »Hat er einen Anwalt dabei?«
Flor lächelte wieder. »Ja, Marcus, er hat auch unseren Anwalt dabei. Harry und Joe kennen sich noch aus Collegetagen. Ich bin mir sicher, dass sie das hinkriegen.«
»Das ist gut.« Ich schluckte. »Wir haben also einen Anwalt?«
»Klar, schon immer. Er war einer von denen, die Joe zu seiner Kandidatur ermutigt haben.«
»Heißt das, dass er auch dabei sein wird, falls das FBI mit dem Rest von uns sprechen will?«
»Marcus, du arbeitest für uns. Ja, unser Anwalt wird dich jederzeit vertreten, wenn etwas, das du im Zuge deiner Arbeit tust, mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Jetzt mach dir aber mal nicht so viele Sorgen. Joe hat mit Harry gesprochen, bevor er Liam die Dokumente online stellen ließ. Er kennt die Risiken. Er ist dem FBI bloß zuvorgekommen und zu dem Termin gegangen, ehe sie zu uns kommen konnten. Gehört alles zum Job.«
»Okay … Danke.«
»Wenn du allerdings was ausgefressen hast«, setzte sie an, und da konnte ich für eine Sekunde einen Blick auf die andere Flor erhaschen, die ich am Tag meiner Einstellung erlebt hatte: die strenge und etwas einschüchternde Flor, »das nicht zu deiner Arbeit gehört und das Interesse des FBI oder einer anderen Strafverfolgungsbehörde erregt – irgendwas, das diesen Wahlkampf unnötig in Schwierigkeiten bringt – , dann wirst du erst mal mir Rede und Antwort stehen müssen. Schließlich haben wir uns darüber ja schon unterhalten und haben eine Abmachung, stimmt’s?«
»Stimmt.« Ich war mir sicher, dass mir die Schuldgefühle übers ganze Gesicht geschrieben standen, doch ich riss mich zusammen und vermied ihren forschenden Blick bloß um Haaresbreite.
An meinem Rechner stellte ich fest, dass ich gar nicht so blöd gewesen war. Amazon hatte über Nacht unseren Vertrag aufgekündigt, und das System hatte uns nahtlos zu unserem Notfallprovider umgezogen – so schnell und elegant, dass unsere Logs gar keinen Ausfall registriert hatten. Was mich daran erinnerte, dass ich unbedingt meine alte Handynummer zurückbekommen musste, denn sicher waren alle Systemwarnungen auf mein altes Handy geschickt worden, wo immer es jetzt sein mochte. Also rief ich meinen Kundendienst an und stoppte spaßeshalber die Zeit, die die Genies am anderen Ende brauchten, um meinen Anruf entgegenzunehmen. Es war bereits mehr als eine halbe Stunde vergangen, als ein Schatten
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