Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
für seine Verbrechen missbraucht hat. Genau darauf hatten meine Gegner gehofft.«
Er senkte die Stimme. »Es arbeiten eine Menge Schwachköpfe und auch boshafte Idioten beim FBI , es ist aber nicht durch und durch korrupt. Im Gegenteil, selbst der größte und fieseste Depp dort hat noch ein Fünkchen Selbstachtung und möchte nicht als Schachfigur im Spiel irgendwelcher intriganten Politiker missbraucht werden. Es war wirklich nicht leicht, diesen Deal auszuhandeln, und Harry staunt selbst noch darüber. Einen besseren Deal kriegen wir nicht. Er bewahrt dich vor weiteren Ermittlungen und lässt dir dein Geld. Teil des Deals ist aber auch, dass du nicht mehr hierherkommen kannst und nicht mehr zum Team gehörst. Und glaub mir, Marcus, sosehr dir dieser Gedanke missfällt, mir missfällt er noch mehr. Ich bin davon überzeugt, dass dein Verlust uns teuer zu stehen kommen wird; und wenn ich die Wahl gewinne, dann nicht deswegen, sondern trotz dessen.«
Ich glaubte ihm jedes Wort. Wenn Joe Noss einem etwas klar und deutlich sagte und einem dabei in die Augen blickte, konnte man gar nicht anders, als ihm zu glauben. Meine Wut klang ab.
»Das Geld kann ich nicht annehmen«, erklärte ich.
Er schüttelte den Kopf, eine kurze, knappe Bewegung, und doch eine Geste, die keine Widerrede zuließ. »Das steht nicht zur Debatte. Du wurdest eingestellt, du hast dich auf das Geld verlassen. Die Ränke unmoralischer Politiker sollten dir nicht auch das noch nehmen.«
»Das ist aber Geld, das du gesammelt hast! Deine Spender haben es dir nicht gegeben, damit du es mir als Abfindung schenkst.«
»Das ist sehr großmütig gedacht, aber das Geld kommt von mir, nicht von meinen Spendern. Flor wird sich schon darum kümmern. Ich kann mir das leisten.«
»Dann spende ich es einfach dem Wahlkampf.«
Er ließ sich zurücksinken und sah mit einem Mal sehr müde und abgekämpft aus. »Daran kann ich dich zwar nicht hindern, ich rate dir aber dringend, nichts zu überstürzen und vorher gründlich zu überlegen.«
»Werde ich. Ich denke, ich sollte jetzt besser gehen.« Der Schlafmangel von letzter Nacht holte mich ein. Mir stiegen Tränen in die Augen, was immer ein verlässliches Zeichen dafür ist, dass ich völlig neben mir stehe. Vielleicht hatte Joe ja recht mit dem Geld. Ich fragte mich, was es über ihn aussagte, wenn er Menschen aus rein »kosmetischen« Gründen entließ, um sie später klammheimlich wieder einzustellen. Ich murmelte noch ein paar Worte des Danks und trat dann mit ausdruckslosem Gesicht hinaus.
Es waren immer etwa zehn bis fünfzehn Leute im Büro: Freiwillige, die Telefondienst leisteten oder Informationsmaterial zusammenstellten, ein paar Tische, an denen unser Chefstratege, der Redenschreiber und der PR -Mensch saßen. Obwohl ich sie alle mal kurz kennengelernt hatte, kannte ich nur die Hälfte beim Namen und wusste bei vielen nicht mal genau, was sie eigentlich taten. Jetzt schauten sie mich alle an, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollten. Auf dem Stuhl vor meinem Tisch stand ein Karton, und als ich näher kam, sah ich, dass jemand meine wenigen Besitztümer, die ich mit zur Arbeit gebracht hatte, hineingelegt hatte. Ich blickte zu Flor hinüber, die mir einen mitfühlenden Blick schenkte und zunickte. Wahrscheinlich hatte sie meine Sachen gerichtet, und irgendwie war ich auch dankbar dafür, denn so kam ich schneller hier raus. Ich zog meine Jacke über, steckte Schleicher in meinen Rucksack, nahm den Karton und verließ das Büro ohne ein weiteres Wort.
Liam fing mich draußen auf dem Bürgersteig ab.
»Alter«, sagte er. »Das ist ja echt voll arm.« Mir ging seine Ausdrucksweise immer noch auf die Nerven, doch ich beschloss, es ihm nicht nachzutragen. Wenn ich jetzt die Beherrschung verlor, nutzte das niemandem was. Es ging mir nicht sonderlich gut.
»Meine Nummer hast du ja, oder?«, fragte ich stattdessen. »Falls du Probleme mit der Technik hast? Wo die Passwörter sind, weißt du. Ich schick dir nachher noch sämtliche Infos zu Servern, Kundendienst und allem.«
Er schaute mich fragend an. Ich erwiderte den Blick, und da musste er blinzeln. »Stimmt es, dass du die ganze Zeit hinter den Darknet-Docs gesteckt hast?«
Ich erwiderte nichts. Zwar hatte ich keine Lust mehr zu lügen, spürte aber instinktiv, dass es immer noch eine schlechte Idee wäre, diese ganze Geschichte öffentlich zu machen. Ich war mir ziemlich sicher, dass es Carrie Johnstone gewesen war, die Joes Gegner
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