Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
mein Rad und machte mich auf den Weg zum Bay Guardian. Ich war schon fast da, als mein Handy klingelte, Anrufer unbekannt. Ich nahm den Anruf entgegen.
»Ja?«
»Du bist ja ein richtiger Unruhestifter, was?«
Ich brauchte einen Moment, um die Stimme zu erkennen. Auch weil ich schon fast davon ausgegangen war, sie nie wieder zu hören.
»Masha?«
»Ich nehme an, du hast grade Zeit?«
»Was?«
»Soweit ich das sehen kann, bist du irgendwo Nähe Embarcadero. Deinem Bewegungsmuster nach zu urteilen sitzt du entweder in einem Bus, der öfter mal hält, oder auf einem Rad. Und wie’s aussieht, bist du auf der Joe-Noss-Homepage nicht länger als Mitarbeiter geführt. Von daher würde ich vermuten, dass du momentan nicht allzu beschäftigt bist. Wie wär’s also, du machst dein Handy aus, nimmst den Akku raus und kommst dahin, wo dein bescheuerter Schulfreund uns damals abgefangen hat? Da können wir uns treffen.«
Als Masha zum ersten Mal von der Bildfläche verschwunden war, hatte sie mich mitnehmen wollen. Dabei war uns Charles Walker in die Quere gekommen, ein echter Vollidiot von meiner Schule, leider aber auch ziemlich kräftig, der mich nur zu gern an den Heimatschutz verpfiffen hätte. Daraufhin hatte Masha ihm ihre Heimatschutz- ID gezeigt und ihm gehörig in den Arsch getreten. Das war in einer der Gassen am Rand von Nob Hill gewesen, und auch wenn ich mir nicht mehr ganz sicher war, in welcher, würde ich sie wahrscheinlich wiedererkennen.
»Können wir machen.«
Sie legte einfach auf. Das war heute nun schon das zweite Mal, dass mir es so erging, und nett war das nicht. Aber wie ich da in die Pedale trat, stellte ich fest, dass ich auch gar keinen Bock mehr auf »nett« hatte. Ich war es leid, mir auf der Jagd nach etwas Glück ständig einen abzubrechen. Von nun an ging es nur noch darum, das zu tun, was im Moment gerade möglich war. Glück wird eindeutig überbewertet.
15
Ich dachte schon, ich hätte mich doch in der Gasse geirrt. Ich wartete zehn Minuten, fünfzehn, dann lief ich bis ans Ende des Blocks und wieder zurück. Studierte die Gasse. Eigentlich war sie mehr ein enger Durchgang zwischen zwei Gebäuden, gerade breit genug für die Feuertreppen und die Müllcontainer. Die Viertelstunde Wartezeit hatte mir gereicht, mir jede Einzelheit des Ortes genau einzuprägen, von den alten, moosbewachsenen Urinflecken an der Mauer bis zu den Dellen der Müllcontainer. Und irgendwas war plötzlich anders – hatte der Müllcontainer dort nicht vorhin noch da drüben gestanden? Das hatte er allerdings. Ich tat einen vorsichtigen Schritt in die Gasse und spürte, wie meine Handflächen feucht wurden, denn irgendwie wusste ich, dass ich nicht länger alleine war. Noch ein Schritt.
»Hier hinten«, sagte eine Stimme hinter den Containern. Ich versuchte, einen Blick dahinter zu erhaschen, konnte aber nichts erkennen, also kam ich näher und trat um sie herum.
Masha lehnte mit dem Rücken an der Wand. Sie sah aus wie auf dem Weg zum Fitnessstudio: Sie trug Jogginghosen, ein weites T-S hirt und ein rosa Zopfband im mausbraunen Haar, neben ihr lag eine Sporttasche. Außerdem verbarg eine große Designersonnenbrille ihre Augen – vermutlich ein Imitat. Sie hätte ebenso gut reich wie arm sein können, ein Teenie oder Ende zwanzig. Ich hätte sie keines zweiten Blickes gewürdigt, wenn ich sie so in der BART getroffen hätte. Ich war mir nicht einmal völlig sicher, dass sie es war, bis sie die Sonnenbrille kurz auf die Nase schob und mich mit ihrem Blick beinahe aufspießte.
»Setz dich doch.« Sie deutete neben sich. Sie hatte ein sauberes Stück Karton hinter den Containern ausgebreitet. Es wirkte ganz so, als ob sie es sich nicht zum ersten Mal auf diese Art gemütlich machte. Ich nahm im Schneidersitz neben ihr Platz.
»Nett, dich zu sehen«, begrüßte ich sie. »Etwas unerwartet.«
»Zeb und ich sind schon vor ein paar Tagen abgehauen. Aber wir mussten erst noch eine Menge erledigen.«
»Abgehauen.«
»Die meisten Leute bei Zyz sind Dumpfbacken, die’s beim Heimatschutz nicht gepackt haben, deshalb haben sie sich selbstständig gemacht und sich die Bezahlung verdreifacht. Sie glauben aber steif und fest an ihre Sicherheitssysteme. Wenn irgendein Händler eine Überwachungskamera als sicher bezeichnet, dann nehmen sie ihm das einfach ab. Dasselbe gilt für elektronisch gesicherte Türen, Fußfesseln, Peilsender und Sensoren.«
»Ach.« Dabei hatte ich eigentlich immer gewusst, dass Masha
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