Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
damit alles schön anonym war. Und wieso auch nicht? Was gut genug für Paranoiker wie mich war, konnte ihnen doch nur recht sein. Das war genau der Punkt mit solchen Dingen – sie boten allen gleichermaßen Schutz: Leuten mit Leaks, Leuten, die sich deshalb Sorgen machten, Leuten, die Leaks leakten. Alle waren wir schlau genug, unsere Paranoia-Pakete wie hyperaktive Flummis durchs Netz hüpfen zu lassen.
So langsam, wie die Verbindung war, konnte es gut sein, dass ich recht hatte. Es dauerte endlos, bis ich Zugriff auf die primäre Back-up-Disk bei mir daheim auf dem Schreibtisch hatte. »Das ist es.« Ich tippte mein Passwort ein und ließ die Kamera zuschauen, wie ich den Befehl zum sicheren Löschen der Dateien gab, worauf sie dreimal hintereinander mit (mehr oder minder) »zufälligem« Datensalat überschrieben wurden. Dann führte ich eine Suche aus, um zu beweisen, dass dies tatsächlich die einzige Kopie auf der Platte gewesen war.
»Die Platte synchronisiert sich mit einer weiteren in einem Hackerspace, dem Noisebridge.« Ich loggte mich aus und verband mich mit der Schnittstelle des Noisebridge, während die Verbindung von einer Ebene der Verschlüsselung und Irreführung zur nächsten kroch. »Jetzt lösche ich die Daten auch hier.« Ich tat es. »Das Noisebridge legt Sicherungen in der Cloud an. Darüber habe ich keine Kontrolle, aber es synchronisiert sich alle fünf Minuten. Hier sind die Logs.« Ich öffnete sie mit »tail – f«, damit wir in Echtzeit sahen, wie neue Zeilen hinzukamen. In drückendem Schweigen warteten wir, bis der Noisebridge-Server sich das nächste Mal mit seiner Kopie abglich. Dann sahen wir zu, wie er merkte, dass ich Leak-Files und Schlüssel gelöscht hatte, und Anweisung gab, dass sie auf der Gegenseite ebenfalls gelöscht wurden.
Ich loggte mich aus. »Das war’s.«
»Glauben wir ihm, Timmy?«, fragte Knotenkopf betont böswillig.
»Das tue ich tatsächlich, aber wie’s so schön heißt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Du bist dran.«
Knotenkopf stieg wieder aus und tauschte Plätze mit Timmy auf der Rückbank. Nach und nach sortierte er die Einzelteile seines Hightech-Detektors und unterzog sie einer sorgfältigen Inspektion, wobei er großen Wert darauf legte, dass ich es mitbekam. Zu Zeiten der Spanischen Inquisition gab es die Praxis der »Schreckung«, bei der dem Ketzer das ganze bizarre Besteck vorgeführt wurde, das dazu diente, die zarten, empfindlichen Teile seines Körpers möglichst qualvoll zu strecken oder abzutrennen. Knotenkopf hätte einen guten Inquisitor abgegeben, und er hatte ja sogar den wissenschaftlichen Background dazu. Es war tragisch, dass er fünfhundert Jahre zu spät geboren worden war.
Er legte mir einen Blutdruckmesser an – richtig, military black, worüber er sich wahrscheinlich freute wie ein Schwein an seinem Dreck – , dann ging es weiter mit den Elektroden. Davon hatte er eine ganze Menge, und die wollte er auch alle benutzen, so viel war klar. Er schmierte sie einzeln mit leitfähigem Gel aus kleinen Wegwerftütchen ein, die an die Ketchupportionen bei McDonald’s erinnerten und ausnahmsweise mal nicht auf military geeicht waren, sondern ein mir unbekanntes Logo mit deutscher Aufschrift trugen.
Da begann ich dann, rhythmisch meinen Schließmuskel zusammenzukneifen.
Ja, ganz genau. Denn nur darum ging’s doch: Lügendetektoren messen bei einer Versuchsperson Symptome von Nervosität, etwa einen Anstieg der Puls- oder Atemfrequenz und der Hautfeuchtigkeit. Die Theorie besagt, dass Leute nervöser werden, wenn sie lügen, und diese Nervosität kann man angeblich messen.
Das funktioniert allerdings nicht besonders toll. Es gibt genügend coole Leute, die ohne jedes Anzeichen von Angst lügen, weil sie nämlich auch keine empfinden. Das ist übrigens so ziemlich die Definition eines Soziopathen: Jemand, der lügt, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen. Lügendetektoren arbeiten also ganz prima – außer bei den gefährlichsten Lügnern überhaupt. Womit wir wieder bei der Problematik von »Immer noch besser als nichts« wären.
Viele Leute sind auch einfach von vornherein nervös – zum Beispiel, weil von diesem Lügendetektortest ihr Job oder ihre Freiheit abhängt. Oder weil sie gerade von ein paar Söldnern entführt wurden, die damit drohen, sie in ihr geheimes Versteck zu verschleppen, wenn sie nicht kooperieren.
Manchmal freilich kann ein Lügendetektor wirklich dabei helfen, den Unterschied zwischen
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