Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Spellman, was kann ich heute für Sie tun?«
»Ich weiß, dass Sie mich zum Teufel wünschen, aber ...«
»Wie kommen Sie denn darauf, meine Liebe?«, fragte Mrs. Snow auf ihre entsetzlich höfliche Art.
»Na ja, immerhin haben Sie mir bei Ihrem letzten Anruf unmissverständlich klargemacht, dass ich meine Nachforschungen ein für alle Mal einstellen soll. Darum dachte ich ...«
»Wann soll das gewesen sein, Ms. Spellman? Das habe ich nie von Ihnen verlangt.«
»Nein?«
»Nein. Vielleicht verwechseln Sie mich mit einem anderen Klienten.«
Es dauerte eine Zeit, bis mir die volle Bedeutung dessen aufging, was Mrs. Snow mir gerade mitgeteilt hatte. Wenn sie es nicht gewesen war, wer dann? Vielleicht leugnete sie es auch nur – aus dieser Frau würde ich nie schlau werden.
»Darf ich eine Minute reinkommen?«, fragte ich.
Mrs. Snow sah auf meine Stiefel. Vermutlich berechnete sie zuerst, wie viele Kübel Dreck ich ihr ins Haus zu schleppen drohte.
»Soll ich sie ausziehen?«, bot ich an.
»Ihren Mantel bitte auch, meine Liebe. Er ist nicht ganz sauber.«
Ich zog meine Stiefel aus und legte meinen Mantel auf einen Verandastuhl. Da ließ Mrs. Snow mich eintreten – wenn auch nicht ohne Widerwillen.
»Könnte ich bitte Ihr Telefon benutzen?«, fragte ich und schaltete unbemerkt den Klingelton meines Handys aus.
»Bitte.« Mrs. Snow wies mir die Richtung.
Ich wählte mein Handy an. Damals hatte das Display »Rufnummer unterdrückt« angezeigt, doch jetzt tauchte dort eine 415er Nummer auf. Die einfachste Erklärung war also, dass meine Mutter hinter diesem Anruf steckte.
Für alle Fälle fragte ich: »Haben Sie auch ein Handy?«
»Wieso sollte ich«, antwortete Mrs. Snow und wischte den Hörer mit einem Putztuch gründlich ab.
Noch ein paar Fragen, dann würde ich endlich abhauen können. Vom Potpourri-Geruch bekam ich allmählich Kopfschmerzen.
»Auch wenn es Ihnen vielleicht seltsam vorkommt«, sagte ich, »erinnern Sie sich an Greg Larsons Auto?«
»Ja. Ein roter Camaro. Aus den späten Siebzigern.«
»Könnte es nicht eher ein Camry gewesen sein?«
»Nein, es war ein Camaro.« Ihr Ton wurde schneidend.
«Und er war ganz bestimmt rot, nicht weiß?«
»Glauben Sie mir, meine Liebe, ich kann Rot von Weiß unterscheiden.«
»Das bestreite ich gar nicht«, sagte ich, bereits auf dem Weg zur Tür. »Ihres Wissens hatte Greg also keinen weißen Camry?«
»Nein«, erwiderte sie matt.
»Der Akte zufolge, die meine Eltern angelegt haben, teilten sich Martin und Andrew einen blauen Datsun, eine Fließhecklimousine Baujahr 1985. Stimmt das?«
»Ja.«
»Ein anderes Auto hatten die beiden nicht, oder?«
»Nein.«
»Danke, Mrs. Snow. Sie waren mir eine große Hilfe.«
Nach meinem Besuch bei Mrs. Snow klopfte ich bei einigen Nachbarn. Von den vieren, die ich zu Hause antraf, wohnten zwei auch vor zwölf Jahren schon dort. Beide erinnerten sich gut an Greg Larson und seinen roten Camaro. Keiner der beiden hatte je einen weißen Camry zu Gesicht bekommen.
Als ich nach Hause kam, war Moms Wagen in der Einfahrt geparkt. Ich nutzte die Gelegenheit, um prophylaktisch einen ihrer Scheinwerfer einzuschlagen. Normalerweise hätte ich mir wegen ihres fingierten Anrufs einen raffinierteren Racheakt einfallen lassen, aber angesichts der komplexen Züge, die unsere Familienfehde inzwischen angenommen hatte, entschied ich mich für was Simples – und rannte zu Dad ins Büro, um ihm alles brühwarm zu erzählen.
»Schätzchen, so etwas würde deine Mutter niemals tun«, sagte er, noch bevor ich zum Ende kam.
»Da täuschst du dich vielleicht.«
»Wir sind seit dreiunddreißig Jahren verheiratet.«
»Na und?«
»Isabel, deine Mutter hat mit diesem Anruf nichts zu tun. Trotzdem darf ich dich daran erinnern, dass du von diesem Fall abgezogen wurdest. Eine Klage wollen wir nicht riskieren.«
Ich hätte das Gespräch gern fortgesetzt, doch da platzte Onkel Ray ins Zimmer und brüllte: »Hilf mir, Al. Ich halte das nicht mehr aus.«
E IN W AFFENSTILLSTAND ( UND EIN PAAR WEITERE S CHLACHTEN )
Neben all den Überwachungen, Lauschangriffen und anderen Schnüffeleien bin ich gar nicht dazu gekommen, die Friedensphase zu beschreiben, in die Rae und Onkel Ray eingetreten waren. Seither bemühte sich meine Schwester im Alleingang, ihren neuen besten Freund von jedem einzelnen Laster zukurieren. Eine ihrer Methoden bestand darin, Grußkarten mit Aufnahmen von kaputten Lebern unter Rays Zimmertür durchzuschieben, auf
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