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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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mir ein Motelzimmer nehmen, bis ich eine Wohnung gefunden hatte. Er meinte, Motels wären so deprimierend – das sagte ausgerechnet der Mann, der Motels als eine Art zweite Heimat betrachtete –, und bot an, mir die Schlüssel zur Wohnung eines alten Kumpels in Richmond zu überlassen. Dieser Freund sei jetzt zwei Wochen unterwegs, auf »Klausurtagung« (Onkel Ray zeichnete Gänsefüßchen in die Luft). Und so zog ich noch am selben Nachmittag in das Zweizimmerapartment des Lieutenant a. D. Bernie Peterson ein. Der Einrichtung nach zu schließen, hegte Bernie zwei große Leidenschaften – Golf und Frauen, Frauen wohlgemerkt an zweiter Stelle und im Plural.
    Bernies Behausung war so seelenlos sauber und aufgeräumt, wie man es von eingeschworenen Junggesellen kennt, die regelmäßig eine Putzfrau kommen lassen. Die Ausstattung war zwar geschmacklos, aber nicht billig, als ginge es ihm vor allem darum, Eindruck zu schinden. Komfort oder die Frage des Designs schien ihn nicht zu kümmern, und so gipfelte das Ganze in einer Verbrechensszenerie des schlechten Geschmacks, in der sich die Muster gegenseitig umbrachten. Überall blieb das Auge an einer frisch polierten Golftrophäe für Amateure hängen oder an einem verblichenen Starlet mit wogendem Busen, das aus einem kostspieligen Rahmen starrte. Onkel Ray führte mich durch die Wohnung, das heißt, er zeigte mir, wo Bernie seinen Schnaps und seine Chips bunkerte. Dann wollte er die unverhoffte Freiheit nutzen, die sich aus der Abwesenheit seiner wachsamen kleinen Nichte ergab, und öffnete eine Dose Erdnüsse. Dazu noch ein Bier, mit dem er sich auf der Couch niederließ.
    »Was ist mit diesem Fall, den du nicht mehr loslassen willst?«
    »Da passt eins nicht zum anderen.«
    »Was hast du für Anhaltspunkte?«
    »Abigail Snow. Die Mutter. Sie behauptet, ihr Mann sei beim Golfspiel, dabei lebt er vierzig Kilometer entfernt mit einer anderen Frau zusammen, und das seit zehn Jahren. Sie hat einen Putzfimmel und verteilt im ganzen Haus Potpourris, um den Gestank des Bleichmittels zu überdecken.«
    »Klingt nach purer Lebensfreude.«
    »Ihr Sohn Martin Snow hat seine Eltern um mindestens hunderttausend Dollar betrogen. Außerdem hat er mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich die Suche nach seinem Bruder aufgeben soll. Ist das nicht komisch?«
    »Yeah«, räumte Onkel Ray ein. »Sonst wollen sie immer, dass man nicht aufgibt. Was hast du noch?«
    »Der Freund der Brüder, Greg Larson. Ist fast immer dabei, wenn die beiden zelten gehen, doch ausgerechnet an diesem Wochenende fährt Larson wegen eines Konzerts in die Stadt. Außerdem kauft er seinem Onkel das Auto ab, ungefähr um die Zeit, als Andrew verschwindet, aber niemand sonst kann sich an dieses Auto erinnern.«
    »Vielleicht hat er das Auto im Auftrag eines anderen gekauft. Vielleicht hat er es auch in der Garage gehalten, um es zu reparieren und dann weiterzuverkaufen.«
    »Es war aber ein Toyota Camry, Onkel Ray. Nicht gerade die Sorte, die du unbedingt restaurieren musst. Außerdem hat mich eine Frau angerufen, die sich als Abigail Snow ausgab. Sie sagte, ich sollte den Fall aufgeben. Doch dann stellte sich heraus, dass die echte Abigail Snow damit nichts zu tun hat.«
    »War es dann vielleicht deine Mutter?«, fragte Onkel Ray.
    »Nein. Das hab ich auch gedacht. Sie sagt, sie war’s nicht.«
    Er trank einen Schluck Bier und sinnierte über das Gehörte. Dann fragte er: »Was willst du jetzt machen?«
    »Hank Farber besuchen. Mit ihm hab ich noch was zu klären.«
    Ich stand auf und schnappte mir Mantel und Autoschlüssel. Onkel Ray stand ebenfalls auf und schnappte sich Mantel und Autoschlüssel.
    »Wo geht die Reise hin?«, fragte er.
    »Nirgendwo hin.«
    »Aber sicher«, sagte er mit einem unerschütterlichen Grinsen.
    »Was zahlen sie dir dafür?«
    »Das Doppelte, plus Überstunden.«
    »Verräter.«
    »Tut mir leid, Mädel. Aber ich brauche das Geld.«
    Meine einzige Chance, ein bisschen Vorsprung zu gewinnen, waren die Treppen. Am Steuer würde ich Onkel Ray nie und nimmer schlagen.
    Ich rannte los. Und dachte, dass dies jetzt seine erste ernstzunehmende sportliche Aktivität seit mehreren Jahren sein würde. Doch weit gefehlt. Während ich die Stufen hinunterstürzte, schloss Onkel Ray in aller Seelenruhe die Wohnungstür ab, bevor er nach unten schlenderte. Ich schoss aus der Haustür.
    Als ich mein Auto erreichte, hielt er sich immer noch im Treppenhaus auf. Ich atmete vor Erleichterung auf, bis

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