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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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– einfach die Feuerleiter zu meinem Zimmer hinaufgeklettert oder hatte mich hinterm Haus an einer Regenrinne hochgehievt und an Davids Fenster geklopft, das von allen am nächsten lag. Die Feuerleiter war aber nicht ausgeklappt, und David ging seit zwei Jahren aufs College, so dass sein Schlafzimmerfenster geschlossen blieb. Ich wog meine Möglichkeiten ab und beschloss, mich vor der Haustür schlafen zu legen. Das war immer noch vernünftiger, als mich um diese Uhrzeit und in diesem Zustand mit meinen Eltern anzulegen.
    Rae, die damals fünf Jahre alt war, entdeckte mich am nächsten Morgen und brüllte unserer Mutter zu: »Isabel pennt draußen vor der Tür.« Als ich so langsam zu mir kam, sah ichmeine Mutter. Ihr Gesicht drückte eine Mischung aus Verwirrung und Ärger aus.
    »Hast du etwa die ganze Nacht hier draußen verbracht?«, fragte sie.
    »Nicht die ganze Nacht«, antwortete ich. »Ich war erst um drei zu Hause.«
    Ich hob meinen Mantel (mein Kissen) auf, schlenderte lässig ins Haus und stieg die Treppen zu meiner Dachbodenwohnung hinauf. Dort schlüpfte ich ins Bett und gönnte mir noch drei Stündchen Schlaf. Zählte man die Schlummerzeit vor der Haustür dazu, machte das insgesamt fast sieben Stunden, für mich damals ungewöhnlich viel Ruhe. Ich wachte einigermaßen erholt auf und zog die komplette Schicht durch.
    Abends kam ich gegen elf nach Hause. Diesmal hatte ich die Schlüssel parat, um die Haustür zu öffnen. Doch sie ging nur einen Spalt weit auf. Offenbar war die Sicherheitskette vorgelegt. Ich rüttelte ein paar Mal an der Tür, die Kette hielt allerdings stand, und ich fragte mich, ob das von meinen Eltern als eine Art Wink mit dem Zaunpfahl gemeint war. Dann tauchte meine Mutter im Spalt auf, machte Psst!, schob die Tür vor meiner Nase zu, löste die Kette und öffnete wieder.
    »Sei schön vorsichtig«, sagte sie. Mom stand immer noch im Rahmen und gab nur ein schmales Dreieck zum Eintritt frei. Ich schlüpfte hinein und blickte wie sie auf den Boden. Dort lag Rae in ihren Schlafsack eingekuschelt, den Teddy fest im Griff und selig schlummernd.
    »Warum schläft sie hier?«, fragte ich.
    »Was meinst du wohl?«, gab Mom bissig zurück.
    »Keine Ahnung«, sagte ich, um einen nicht allzu harschen Ton bemüht.
    »Sie eifert dir nach«, erklärte Mom sichtlich angeekelt. »Vor zwei Stunden habe ich sie draußen vor der Tür liegen sehen. Es hat mich zwanzig Minuten gekostet, sie davon zu überzeugen, es zumindest mit der Eingangshalle zu versuchen. Du musst deiner Schwester jetzt ein besseres Vorbild sein, ob esdir passt oder nicht. Setz dich also bitte nicht betrunken ans Steuer, rauch nicht im Haus, halt deine Zunge ein bisschen im Zaum, und wenn du zu blau bist, um es in dein Zimmer zu schaffen, brauchst du gar nicht erst heimzukommen. Tu es mir, nein, Rae zuliebe.«
    Erschöpft wandte sich meine Mutter um und ging in ihr Schlafzimmer hinauf. In dieser Nacht änderte ich mich. Ich tat alles, was ich tun konnte, damit Rae mir keine üblen Gewohnheiten abguckte. Trotzdem hatte Mom die Latte zu niedrig gelegt; ich war immer noch ich und damit auch immer noch ein Problem.
    • Phase 3: Die Sache mit dem fehlenden Schuh
    Ich wusste es, noch bevor ich die Augen aufschlug: Irgendwas war schiefgelaufen. Über meinem Kopf spürte ich eine sanfte Brise, und ich hörte das Summen eines Deckenventilators. Daraus folgte logischerweise, dass ich nicht in meinem eigenen Bett lag, denn ich habe keinen Deckenventilator. Mit geschlossenen Augen versuchte ich, die letzte Nacht zu rekonstruieren. Da ertönten gleichzeitig ein Klingeln und ein Stöhnen – ein menschliches Stöhnen – ein männliches menschliches Stöhnen. Das Klingeln, oder besser, das zarte Fiepen, ging von meinem Handy aus. Das Gestöhne kam von einem Kerl, den ich vermutlich gestern aufgetan hatte, wenn ich auch ums Verrecken nicht mehr wusste, wo. Ich wusste nur eins: Ich musste mein Handy finden, bevor dieser Kerl aufwachte, sonst drohte eine Runde Small Talk der peinlichen Sorte. Und ich war nicht in Stimmung für Small Talk, denn als ich die Augen öffnete und mich im Bett aufrichtete, begann es in meinem Kopf wie wild zu pochen. Gegen die aufsteigende Übelkeit ankämpfend, torkelte ich durchs Zimmer – eine lausige Bruchbude, mehr muss ich dazu nicht sagen. Ich zog mein Handy unter einem Haufen Klamotten hervor und stellte den Ton aus. Dann sah ich den Namen David Spellman auf dem Display. Ich klappte das Telefon auf und trat

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