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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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ihn mit Namen kennt.
    Nach einer halbstündigen Unterhaltung mit dem Mann im schwarzen Rolli verlässt Warner das Etablissement. Das Gespräch wird von einer Musik übertönt, die stark an den Soundtrack von Shaft erinnert. Meine Mutter verlässt schweren Herzensden Laden und setzt die Observation in Jakes Gesellschaft fort.
    Am nächsten Tag drückt sie den Warner-Job allerdings Dad und Onkel Ray aufs Auge, um mit blonder Langhaarperücke und Sonnenbrille ins New Century Theater zurückzukehren. Eigentlich rechnet sie nicht damit, Sean dort zu sehen, aber er stellt sich um dieselbe Zeit wie am Vortag ein, auf demselben Platz in der ersten Reihe. Dass er an zwei Tagen in Folge ein Striplokal aufsucht, lässt meiner Mutter keine Ruhe. Sie setzt die Beschattung eine Woche lang fort. Das New Century betritt er noch zwei Mal und treibt sich tagsüber in den Sexshops des Viertels herum. Nachts führt Mom keine Überwachung durch, sie weiß, dass Sean dann entweder bei der Arbeit ist oder bei mir.
    Schließlich fragt sie mich, wann er Geburtstag hat. Ich falle auf diesen Trick herein, weil Mom so gern Horoskope liest, und zwar unsere und manchmal auch die von freien Mitarbeitern, wenn wir gerade welche beschäftigen. Sie erkundigt sich so beiläufig nach Seans Geburtsdatum, dass ich mir nichts Böses dabei denke. Es kommt mir so vor, als würde sie endlich ein bisschen Interesse an ihm bekunden, nachdem wir mehr als drei Monate zusammen sind – für mich ja immerhin eine Art Rekord in Sachen Beziehungsdauer.
    Doch Mom hat keineswegs vor, für Sean rechtzeitig ein Geburtstagsgeschenk zu besorgen. Sie besorgt sich seine Sozialversicherungsnummer und holt eine Kreditauskunft ein. (Gegen diesen Trick bin ich jetzt immun.) Anhand der Kreditauskunft zapft Mom eine ihrer Quellen bei einer Kreditkartengesellschaft an, um seine letzten Ausgaben zu überprüfen. Von einem ethischen oder juristischen Standpunkt aus gesehen ist die Vorgehensweise meiner Mutter absolut unentschuldbar, aber sie möchte nun einmal klären, was nach Klärung verlangt.
    Am Donnerstagmorgen befindet Mom ihre Recherche für abgeschlossen und ruft mich ins Büro, um mich ins Bild zu setzen.
    »Schätzchen, dein Freund ist pornosüchtig.«
    »O Gott«, sage ich. Würde sie mich wirklich und wahrhaftig lieben, hätte sie gewartet, bis ich meinen Kaffee ausgetrunken habe. »Und wie kommst du darauf?«
    Meine Mutter zählt en détail auf, was Sean in der vergangenen Woche alles getrieben hat, bevor sie mir diverse Kreditkartenrechnungen vorlegt sowie einen Ausdruck seiner Ausleihen im Videostore Lederzunge . Beim Überfliegen der Filmliste versuche ich, die Fassung zu wahren, auch wenn es schwerfällt, angesichts so beziehungsreicher Titel wie Früchte der Lust; Liebling, wo steckt mein Dildo?; Das rosarote Biest oder Das süße Schlucken .
    »Honey, ich hab nichts dagegen, wenn man sein Liebesleben hin und wieder mit einem kleinen Porno aufpeppt. Aber das hier trägt schon pathologische Züge.«
    »Und wie soll ich deiner Meinung nach reagieren?«
    »Es liegt ganz bei dir, Schätzchen. Ich sage ja nicht, dass du mit ihm Schluss machen musst. Wenn du mit Sean zusammenbleiben willst, solltest du allerdings Bauchtanz lernen.«
    Stumm verlasse ich das Büro. Ohne ihr eine Antwort zu geben, den Gefallen will ich ihr nicht tun. Das Ergebnis ihrer Ermittlungen hat mich kalt erwischt, aber so, wie ich meine Mutter kenne, irrt sie sich bestimmt nicht. Und trotzdem will ich es mit eigenen Augen sehen. Ich will selbst nach belastendem Material suchen. Nachts warte ich, bis Ex-Freund Nr. 6 in Tiefschlaf versunken ist, bevor ich seinen PC hochfahre. Wenn ein Mann nicht aufpasst, gibt sein Computer eine ganze Menge über ihn preis.
    Am nächsten Morgen mache ich Schluss. Diesmal spreche ich die Letzten Worte: Uns trennt mehr, als uns verbindet.
    Anwalt Nr. 3
    Am Freitagabend rief David an, eine Stunde vor meiner Verabredung mit dem Wirtschaftsrechtler. Sollte ich mich nicht anständig benehmen, drohte mir mein Bruder Repressalien an.Als ich dann aus meiner Wohnung stürmte, um Hunter auf der Straße abzufangen (ich wollte nicht, dass Eltern und Anwalt aufeinandertreffen), brüllte mir Mom vom Fenster aus hinterher: »Sei einfach du selbst, Schätzchen.« Genau die Art von Widerspruch, die das Familienleben so schwierig macht.
    Ich wusste auf Anhieb, dass es mit uns beiden nicht klappen würde. Männer wie Hunter treffen sich sonst mit Frauen, die sich für ein erstes Date in

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