Little Miss Undercover - Ein Familienroman
ohne Filme nicht auskommen.
Unsere ersten Treffen waren ein bisschen zäh, vielleicht, weil ich schon längst wusste, was er mir zu Beginn von sich erzählte. Seine Eltern betrieben eine Bäckerei in Carmel. Seine Schwester war Hausfrau mit 1,8 Kindern (das zweite war noch unterwegs). Sein großer Bruder besaß ein rege frequentiertes Familienrestaurant in Eugene, Oregon, sein kleiner Bruder ein mäßig frequentiertes Antiquariat in Portland. Allem Anschein nach war Ex-Freund Nr. 7 ein Pfadfinder mit einer langen Ahnenreihe von Pfadfindern (von denen der eine oder andere das Bankrott-Abzeichen erwerben mochte). Da ich bisher nie von einem Mann ausgeführt worden war, der zur Happy Hour beherzt Bowle orderte, weckte seine etwas unbedarfte Art zunächst meine Neugier.
Bei unserem ersten Date gingen wir ins Castro Theatre, um uns eine Wiederaufnahme von Die Nacht vor der Hochzeit anzusehen, danach tranken wir Cappuccino und drehten eine Runde im Dolores Park, wo uns einige Jugendliche Drogen verkaufen wollten. Zack reagierte jeweils mit einem höflichen »Nein danke« auf das Angebot, als handle es sich um ein simples Kaltgetränke aus dem Sortiment einer Imbissbude. Unser zweites Date bestand aus einer Stunde Computerspiele (vor allem Skee ball), Eisessen und einer kurzen Fußballlektion, in deren Folge Zack auf meinem Sofa landete, das Schienbein mit mehreren Eisbeuteln gekühlt, während ich mich pausenlos entschuldigte. So harmlos und spießig setzte sich unsere Beziehung fort, bis ich einmal auf den Konkurs seines Bruders zu sprechen kam (fragen Sie mich nicht, warum) und Zack sich nicht entsinnen konnte, mir jemals davon erzählt zu haben.
Petra schwor, sie würde mich nie wieder mit jemandem verkuppeln, ehe ich gelernt hätte, meine Fähigkeiten »auf konstruktive Weise« einzusetzen. Meine Mutter, die nach ihrer Begegnung mit Zack prompt von einer Hochzeit zu träumen begonnen hatte, strafte mich drei Tage lang mit Schweigen. Mein Vater wollte mir eine Partnersuche per Video spendieren;allein beim Gedanken daran lachte er sich halb tot. Ich lehnte ein wenig unhöflich ab.
C AMP W INNEMANCHA
Als Rae im vergangenen Herbst nach den Sommerferien in die achte Klasse kam, stellte ihre Lehrerin Mrs. Clyde im Englischunterricht die übliche Aufgabe: Alle Schüler sollten einen Aufsatz schreiben, maximal fünfhundert Wörter lang, zum Thema »Was ich in den großen Ferien gemacht habe«. Rae (inzwischen zwölfeinhalb Jahre alt) reichte keinen Aufsatz ein, sondern eine Kopie des Observationsberichts zum Fall Merck Investments, wobei sie die vertraulichen Daten alle geschwärzt hatte. Kaum hatte Mrs. Clyde die Arbeit entgegengenommen, lud sie unsere Eltern zu einem Gespräch ein und regte mit einigem Nachdruck an, Rae nächsten Sommer in ein Ferienlager zu schicken.
Als Rae im Frühjahr dreizehn wurde, lud Mrs. Clyde unsere Eltern zum nächsten Gespräch ein und wiederholte ihren Vorschlag mit aller Macht, die ihr zu Gebote stand. Unsere Mutter machte einen Gegenvorschlag: Schwimmunterricht und Tanzschule. Doch Mrs. Clyde bestand auf der Ferienlageridee, weil Rae in ihren Augen unbedingt mehr Zeit mit Gleichaltrigen verbringen und überhaupt kindgerechteren Aktivitäten nachgehen sollte. Nach diesem Gespräch traf Mom klammheimlich Vorbereitungen für das (es durfte nur geflüstert werden) Lager : Sie suchte eins aus, bezahlte die Gebühr und besorgte so gut wie alles, was auf der Liste stand, ohne dass ihr jemand auf die Schliche gekommen wäre. Sie und Dad hatten beschlossen, Rae erst eine Woche vor der geplanten Abreise über die Pläne für ihren Sommer zu informieren.
Dann, an einem Samstagmorgen um Punkt 7.15 Uhr, teilte Mom Rae die Neuigkeit mit. Das weiß ich so genau, weil Raes Wehklagen – wie aus einer antiken Tragödie – mich aus dembitter benötigten Schlaf riss. Ihren verzweifelten Protest setzte sie den ganzen Morgen und den halben Nachmittag fort, bis sie schließlich alle Verwandten abtelefonierte, um Verbündete für ihre Kampagne gegen die Lageridee zu finden. Schließlich drohte Rae sogar damit, den Kinderschutzbund zu kontaktieren.
Natürlich blieb auch ich nicht von ihren Hilferufen verschont. Doch ich sagte nur: »David war im Ferienlager. Ich war im Ferienlager. Was spricht dagegen?« Wutschnaubend erinnerte mich Rae daran, dass ich auf gerichtliche Anordnung hin ins Camp gekommen war. 5
Mom schickte Rae mit einer Packung Schoko-Küsse auf ihr Zimmer: Sie sollte den Schock erst mal in
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