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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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Bier. »Manche Leute wollen unbedingt gewinnen, und andere wollen unbedingt verlieren.«
    Ich war von dieser einfachen Antwort überwältigt. Die Vorstellung, dass ein Mann allein durch sein Tennisspiel für eineArt universelles Gleichgewicht sorgen wollte, gefiel mir. Gefiel mir sehr. Normalerweise verliebe ich mich nicht so schnell und so hemmungslos. Doch jetzt war es um mich geschehen.
    »Das ist es?«
    »Das ist es.«
    »Wie heißen Sie?«, fragte ich, im festen Vorsatz, mich auf der Stelle vom Barhocker zu erheben.
    »Daniel Castillo.«
    »Und was machen Sie beruflich?«
    »Ich bin Zahnarzt.«
    Es traf mich wie ein Schlag im Genick, als sollte ich auf einmal für alle Sünden bestraft werden, die ich jemals begangen hatte.
    »Ist heute Ihr freier Tag?«, fragte ich, sicher totenblass geworden.
    »Ja. Samstags und sonntags, wie für jedermann.«
    »Schönen Tag dann noch«, sagte ich und huschte zur Tür hinaus.
    Draußen holte mich Daniel ein, als ich gerade ins Auto steigen wollte.
    »Was sollte das eben?«, fragte er.
    »Wieso?«
    »Wie heißen Sie denn?«
    »Isabel.«
    »Und Ihr Familienname?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    »Was machen Sie eigentlich?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Beruflich. Was machen Sie beruflich?«
    Die folgende Antwort bereute ich schon, als sie mir über die Lippen kam. Später sollte ich sie erst recht bereuen. Und bitter dafür büßen: »Ich bin Lehrerin.«
    Ich tat es, weil Männer Lehrerinnen meist toll finden. Ich tat es, weil die Wahrheit ihm zu denken gegeben hätte. Er hättesich gefragt, ob ich ihm gefolgt war. Hätte wissen wollen, was ich im Club suchte. Und ich hätte es ihm ja nicht sagen dürfen. Sich als Lehrerin auszugeben, machte die Sache viel leichter. Zumindest am Anfang.
    »So sehen Sie gar nicht aus.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte ich leicht pikiert.
    »Besonders geduldig wirken Sie ja nicht.«
    »Urteilen Sie nicht zu schnell.«
    »Könnte ich Sie für eine Partie Tennis begeistern?«
    »Nein. Ich kann nicht Tennis spielen.« Bedachte man mein Outfit sowie die Tatsache, dass wir uns in einem Tennisclub begegnet waren und ich überdies einen Schläger bei mir trug, zeugte diese Antwort nicht gerade von Geistesgegenwart. Höchste Zeit für einen Themenwechsel.
    »Wir sehen uns, Doc!« Schnell schlüpfte ich hinters Steuer.
    Daniel drehte sich langsam um und ging zurück. Ich sah ihm nach, bis er wieder im Club verschwunden war. Dabei dachte ich die ganze Zeit nur an eins: Könnte er Ex-Freund Nr. 9 werden?
    Als ich vor dem Mitchell Brothers O’Farrell Theatre hielt, unterhielt sich Rae gerade mit ein paar Nutten. Bevor sie zu mir ins Auto stieg, verabschiedete sich meine Schwester artig von Tiffani und Dawnelle. Doch zunächst schickte ich Rae in einen Schnapsladen, damit sie sich Proviant für unsere Überwachungsschicht besorgen konnte. Dann aßen wir Studentenfutter, Lakritzkonfekt und Käsetörtchen, während wir Männer in allen Lebensaltern, Formen und Farben beobachteten, die das Etablissement betraten und verließen – wie Wellen, die sich über den Strand ergießen.
    »Diese Käsetörtchen machen im Auto zu viel Dreck, Rae.«
    »Aber wir brauchen doch eine solide Ernährung.«
    »Käsetörtchen sind nix Solides«, erklärte ich und warf eine Paranuss aus dem Fenster.
    »Was für eine Verschwendung, Isabel.«
    »Die Paranüsse mag niemand.«
    »Ich schon. Unter Umständen.«
    »Unter welchen Umständen?«
    »Im Notfall.«
    »Was denn für ein Notfall?«
    »Na, wenn zum Beispiel die Mandeln alle sind und die Cashewnüsse und die Erdnüsse und überhaupt alles, nur die Paranüsse nicht.«
    »Und wann könnte so ein Notfall eintreten?«
    »Wenn zum Beispiel Onkel Ray bei uns einzieht und alles wegfuttert, bis auf die Paranüsse.«
    »Wär’s dir dann nicht lieber, er futtert gleich alles auf?«
    »Nein. Für den Notfall hätte ich gern wenigstens die Paranüsse.«
    »Von welchem Planeten stammst du eigentlich?«
    »Planet Erde.«
    »Rae, diese Frage war rein rhetorisch.«
    »Na und?«
    »Rhetorische Fragen müssen nicht beantwortet werden.«
    »Eben. Müssen nicht, können aber.«
    Wäre die Zielperson nicht wieder aufgetaucht, hätten wir diese Diskussion ewig weitergeführt.
    Abends arbeiteten Rae und ich den Observationsbericht gemeinsam aus. Dabei vertilgten wir eine weitere Tüte Studentenfutter (Paranüsse inklusive). Mom rief Mrs. Peters an, um ihr zu erklären, dass die Heterosexualität ihres Mannes außer Frage stand; sie regte einen

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