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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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reden.«
    »Okay. Magst du reinkommen?«
    »Klar«, sagte ich und drückte das Fenster weiter auf.
    »Warum gehst du nicht einfach zur Tür? Ich mach dir auf.«
    Keine Ahnung, seit wann Türen in unserer Zivilisation als einzig möglicher Zugang gelten, praktisch ist das jedenfalls nicht. Wäre es nach Daniel gegangen, hätte ich von der Regenrinne springen, die zehn Meter zum Hauseingang zurücklegen und auf das Summen des Türöffners warten müssen, um dann noch eine Sicherheitsschleuse und zwei weitere Türen zu passieren, bis ich am Ziel war. Das Gleiche konnte ich auch mit einem einzigen Klimmzug erreichen.
    »Ich würde lieber durchs Fenster steigen, wenn du nichts dagegen hast«, sagte ich.
    Daniel trat zurück, als ich mein linkes Bein übers Fensterbrett schwang. Ich zog das rechte nach und wischte mir den Staub von den Händen.
    »Du solltest vielleicht mal deine Fenster putzen«, meinte ich.
    Ein Vorschlag, auf den Daniel mit keiner Silbe einging.
    »Alles in Ordnung, Isabel?«
    »Nein.«
    »Verrätst du mir, was los ist?«
    »Wofür hältst du mich? Für einen guten treuen Hund?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Daniel sichtlich verwirrt.
    »Dreimal Tennis, einmal Happy Hour, ein Spaziergang, zwölf Biere, ein Glas Wein und drei eigenhändig zubereitete Abendessen. Worauf warten wir noch?«
    Daniel lehnte sich gegen die Couch.
    »Worauf warten wir?«, wiederholte er.
    »Viermal Händeschütteln, eine Pseudo-Umarmung und einmal übern Kopf streichen?«
    »Das musst du mir schon genauer erklären, Isabel«, sagte Daniel.
    Und das tat ich dann auch. Ich packte seine Krawatte und zog ihn an mich. Nach sieben Wochen, fünfundzwanzig Tennisstunden, vierzehntägiger Observierung, drei Tennis- und drei normalen Verabredungen sowie zehn Folgen meiner absoluten Lieblingsfernsehserie bekam ich endlich meinen ersten Kuss.
    »Verstehst du jetzt?«
    »Glaub schon«, sagte Daniel. Dabei legte er mir den Arm um die Taille und erwiderte meinen Kuss.
    Daniel vor meinen Eltern geheim zu halten und meine Eltern vor Daniel geheim zu halten war kräftezehrend, kräftezehrender als alles, was ich bis dato unternommen hatte. Am leichtesten war es noch, Daniel davon abzubringen, zu mir nach Hause zu kommen. Ich erklärte ihm, dass er bei jedem unangekündigten Besuch Gefahr liefe, mit meinen Eltern zusammenzustoßen. Ich erklärte ihm ferner, dass er unsere Beziehung sofort beenden würde, wenn er zu früh auf meine Eltern träfe. Obwohl Daniel sich kaum vorstellen konnte, dass zwei Menschen, die ihr Leben pädagogischen Zwecken widmeten, wirklich so irre Monster waren, wie von ihrer Tochter geschildert, fügte er sich.
    Meinen Eltern wäre gar nichts aufgefallen, wenn ich meinen Stil nicht so abrupt und so radikal verändert hätte. Normalerweise kleide ich mich nicht wie eine Lehrerin, doch damit Daniel keinen Verdacht schöpfte, musste ich mich wohl oder übel der neuen Rolle anpassen.
D IE R OCK -K RIEGE
    Anfangs rannte ich nach der Arbeit in meine Wohnung, sprang unter die Dusche, zog mir ein tailliertes Kleid oder einen Tweedrock samt halbwegs gebügelter Bluse über und versuchte, unbemerktaus dem Haus zu schlüpfen. Auch wenn die Chancen hierfür denkbar schlecht standen. Bei Regen konnte ich mein Outfit wenigstens unter einem langen Mantel verbergen. Und in den seltenen Fällen, wo ich zu Treffen mit Klienten entsandt wurde, passte die Lehrerinnenkluft natürlich genauso gut. Meist musste ich mich aber richtig anstrengen, um nicht aufzufallen. Das Haus verließ und betrat ich nur noch durchs Fenster, allerdings ist schwer zu sagen, was mehr Verdacht erregt: ein plötzlicher kompletter Stilbruch oder ein plötzlicher kompletter Türenboykott.
    Richtig gefordert war ich allerdings, wenn Daniel sich mittags aus heiterem Himmel meldete, um »ganz spontan« lunchen zu gehen. Ein Patient hatte kurzfristig abgesagt. Daniel hatte Zeit. Erstaunlich, wie viele Menschen leichtfertig einen Zahnarzttermin absagen. Jedes Mal verspürte ich einen gewaltigen Groll sowie das Bedürfnis, jeden einzelnen Patienten anzurufen, um in den Hörer zu brüllen: »Wissen Sie eigentlich, was Sie mir damit antun?!« oder »Legen Sie denn gar keinen Wert auf Prophylaxe?!« Stattdessen lernte ich, mich im Auto umzuziehen. Dafür parkte ich am Ende der Straße, an der »meine« jeweils aktuelle Schule lag – Mission Highschool, Presidio Middle School, Jefferson Elementary School etc. –, wechselte die Kleidung und wartete dann vor dem Auto auf

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