Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Sekunde auf ein mögliches Versagen des Kochs zurückführte. Er ging von einem nur mangelhaft erprobten Rezept aus. Mit jedem Bissen kamen neue Kommentare, wie etwa »aparte Mixtur von Aromen«; später hieß es, »das werde ich so schnell nicht wieder kochen«. Schließlich sagte er: »Aber ich will immer was Neues ausprobieren.«
Trotzdem denke ich ganz gern an unsere normale Verabredung Nr. 2 zurück. Als Daniel den Tisch abgeräumt hatte, holte er ein Sixpack Bier aus dem Kühlschrank.
»Lass uns aufs Dach gehen und die Sterne angucken.«
An diesem Abend war weit und breit kein Stern zu sehen, aber ich sparte mir den Hinweis. Mit einem Bier auf dem Dach zu hocken ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.
Und so saßen wir auf Plastikliegestühlen unter dem dunklen, verhangenen Himmel; meist schwiegen wir, ohne dass es sich peinlich oder seltsam angefühlt hätte. Wir genossen einfach die stille Vertrautheit, die sich zwischen uns eingestellt hatte. Zunächst dachte ich, er habe mich zum Dach hinaufgeführt, um dort erste Annäherungsversuche zu unternehmen, aber als wir drei Stunden später wegen der Kälte aufstanden, wurde mir mein Irrtum bewusst.
Normale Verabredung Nr. 3 (drei Tage später)
Wieder einmal beharrte Daniel darauf, mir eigenhändig ein Essen zuzubereiten. Doch mein Magen war dem süßsauer gefüllten Kohl, den er an diesem Abend kredenzte, einfach nicht gewachsen.
Natürlich gab Daniel dem Rezept die Schuld. »Haben die keine Versuchsküche?«, regte er sich auf. »Das koche ich bestimmt nie wieder.«
»So übel fand ich das gar nicht«, sagte ich.
Das war durch und durch gelogen. Allerdings schien es mir auf eine Lüge mehr oder weniger nicht anzukommen, da ich mich schon unter falschen Vorzeichen vorgestellt hatte. Seine Kochkünste zu loben, war wohl das mindeste.
Während Daniel Geschirr spülte, sah ich mich im Wohnzimmer um. Im Bücherregal entdeckte ich etwas, das unsere Beziehung von Grund auf ändern sollte – zumindest, was den Zeitvertreib anging. Ich zog eine der DVD-Boxen aus dem Regal und marschierte in die Küche.
»Daniel, du hast ja ...«
»Sprich lauter. Das Wasser rauscht so.«
Ich ging zu ihm und zeigte ihm die Box. »Du hast ja sämtliche Mini-Max -Folgen auf DVD. Ich wusste nicht einmal, dass es das gibt.«
»Raubkopien«, erklärte er.
»Hast du’s geschenkt bekommen?«
»Ja«, sagte er. »Ich hab’s mir selbst geschenkt. Ich liebe diese Serie.«
»Und wie ich diese Serie liebe«, sagte ich voller Begeisterung. »Meine beste Freundin (Name zensiert) 15 und ich haben (zensiert) 16 praktisch nichts anderes geguckt.«
Daniel drehte den Wasserhahn zu und trocknete sich die Hände. »Wie wär’s mit einem Marathon?«
Zehn Folgen und unzählige Schuhtelefonanrufe später begann Daniel zu gähnen. Und mir wurde plötzlich bewusst, dass ich ja um sieben Uhr aufstehen musste, damit ich um acht vor der Klasse stehen konnte. 17 Zeit zu gehen.
Als Daniel den DVD-Player ausmachte, sagte er: »Als Kind glaubte ich felsenfest, dass ich später für CONTROL arbeiten würde.« 18
»Mir ging’s genauso«, antwortete ich, obwohl ich eigentlich immer für KAOS hatte arbeiten wollen. 19
Verabredung Nr. 3 endete fast genauso wie Nr. 1 und Nr. 2. Daniel begleitete mich zum Auto, gab mir die Hand (Nr. 1) oder nahm mich kurz in den Arm (Nr. 2). Als er mir dann leicht den Kopf tätschelte (Nr. 3), riss mir der Geduldsfaden: drei Tennis- und drei stinknormale Dates, aber immer noch kein Kuss.
Reglos saß ich am Steuer, während Daniel hinter der Eingangstür seines Hauses verschwand. Schließlich startete ich den Motor, bereit, eine weitere Abfuhr meines Dentisten einfach so hinzunehmen. Doch dann erwachte mein Kampfgeist. Ich hatte lang genug gewartet.
Daniels Wohnzimmerfenster liegt nur knapp zwei Meter überm Boden, ist also leicht zu erklimmen, besonders unter Zuhilfenahme der Regenrinne, die quer über die Fassade verläuft. Kaum war das Licht in Daniels Wohnung wieder angegangen und sein Schatten hinterm Fenster aufgetaucht, stieg ich aus, um an seine Scheibe zu klopfen.
Die meisten Leute reagieren nicht sofort, wenn man an ihr Fenster klopft, anders als beim Klingeln oder Klopfen an Türen, aber irgendwann bemerken sie auch das. Gerade als ich vom staubigen Glas abzurutschen drohte, öffnete Daniel das Fenster.
»Hi, Isabel. Ist mein Türsummer kaputt?«
»Nein«, antwortete ich, ohne die Frage richtig zu deuten.
»Was machst du da?«
»Ich wollte mit dir
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