Live!
zu häuten pflegte, um sie zu Stifado zu verarbeiten. Ich fördere einen umfangreichen Computerausdruck zutage, und sogleich springt mir der Titel ins Auge:
MINAS LOGARAS
APOSTOLOS VAKIRTSIS
SEIN LEBEN ALS JOURNALIST , ENGAGIERTER
LINKER UND PRIVATMANN
Mein Blick hat sich am Namen Vakirtsis festgesogen und kann sich gar nicht mehr davon lösen. Apostolos Vakirtsis gehört zu den bekanntesten Journalisten in Presse und Rundfunk. Seine Artikel gelten als Barometer für die Politszene, und seine Morgensendung im Radio hört ganz Griechenland, von den Fernfahrern über die Friseure bis zu den KFZ -Mechanikern.
Ich versuche dahinterzukommen, warum Minas Logaras ausgerechnet mir das Manuskript seiner neuen Biographie zuschickt. Fanis kommt heran und blickt mir über die Schulter. Verwundert murmelt er: »Apostolos Vakirtsis? Der Journalist? Warum sollte sich Vakirtsis umbringen? Regierung und Opposition zittern gleichermaßen vor ihm. Er bringt Minister an die Macht und stürzt sie wieder. Er hat sich dumm und dämlich verdient, besitzt alles, was man sich nur vorstellen kann: Eigenheime, Ferienhäuser, Jachten …«
Und dann stellt er sich dieselbe Frage, die mir auch in den Sinn gekommen ist. »Und warum schickt dieser Logaras ausgerechnet dir die Biographie?«
»Er will mir etwas mitteilen«, sage ich zu Fanis. »Er will mir mitteilen, daß sich Apostolos Vakirtsis umbringen wird.«
»Das verstehe ich nicht«, meint er nachdenklich. »Wieso sollte Logaras dir das mitteilen? Damit du den Selbstmord verhinderst?«
Seine Frage öffnet mir mit einem Schlag die Augen. Richtig, wieso sollte er es mir sonst mitteilen? Er weiß, daß ich sofort Himmel und Erde in Bewegung setze, um dem Selbstmörder zuvorzukommen. Ich versuche zu erraten, was Logaras im Schilde führt, aber aufgrund der Aufregung arbeitet mein Hirn nur mit gedrosselter Geschwindigkeit.
Adriani tritt herausgeputzt ins Wohnzimmer. »Bitte sehr, ich bin soweit«, meint sie aufgeräumt.
Ich packe Fanis am Arm und beginne ihn zu schütteln. »Er spielt mit mir!« rufe ich außer mir. »Er spielt mit mir! Er teilt mir nicht mit, daß sich Vakirtsis umbringen wird. Er sagt mir, daß sich Vakirtsis jetzt gerade umbringt, in genau dem Moment, in dem ich die Biographie erhalte, und ich nichts dagegen tun kann!«
Adriani richtet ihren perplexen Blick zuerst auf mich, dann auf Fanis. »Was ist denn mit euch los?« fragt sie.
»Wir fahren nicht, alles wird verschoben!« rufe ich.
»Aber, wolltet ihr nicht auswärts essen gehen?«
»Du hast nicht verstanden! Die Ferien sind verschoben! Es gibt noch einen dritten Selbstmord!«
Einen Augenblick lang verschlägt es ihr die Sprache, dann erhebt sie ihren Blick zum Lüster und bekreuzigt sich. »Heilige Jungfrau, jetzt reicht’s langsam! Schluß mit den Wechselbädern! Gib meinem Mann eine normale Arbeit, wo er morgens um neun hingeht und um fünf Uhr nachmittags nach Hause kommt. Dann weihe ich dir eine mannshohe Kerze!«
Sie ahnt nicht, wie nahe die heilige Jungfrau dran ist, ihren Wunsch zu erfüllen. Ich laufe zum Telefon und rufe Gikas zu Hause an, doch keiner geht an den Apparat. Dann suche ich seine Mobilfunknummer heraus. Es ist uns nur in Notfällen gestattet, sie zu benutzen, doch einen größeren Notfall kann ich mir nicht vorstellen. Eine dumme Pute meldet sich zu Wort und behauptet, mein Anruf würde bald beantwortet. Ich rufe das Telefonzentrum des Polizeipräsidiums an, in der Hoffnung, er könne noch im Büro sein oder man würde dort wissen, wo er sich aufhält.
»Stell den Sender ein, der Favieros’ und Stefanakos’ Selbstmorde gebracht hat!« rufe ich Adriani zu, während ich auf Antwort warte. Wenn sich Vakirtsis getötet hat, wird man das sofort melden. Wenn nicht, gibt es vielleicht noch Hoffnung. Doch jede Minute, die verstreicht, kommt Logaras zugute.
»Kommissar Charitos. Ich möchte mit Kriminaldirektor Gikas sprechen! Es ist äußerst dringend!«
»Einen Moment, Herr Kommissar!« Ich warte, während ich mich bemühe, meine Ungeduld und meine Nervosität zu zügeln. »Der Herr Kriminaldirektor ist für einige Tage verreist, Herr Kommissar. Möchten Sie mit jemand anderem sprechen?«
Das wäre Janoutsos. »Nein«, sage ich und lege auf.
Offenbar hat sich Gikas genau so davongemacht, wie ich es vorhatte, nur war er schneller. Er ließ alle fünfe grade sein und hat sich in die Ferien abgesetzt. Ich werfe einen flüchtigen Blick auf den Bildschirm, doch da tut sich nichts,
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