Live!
was nach einer Nachrichtensondersendung aussieht. Ich packe die Fernbedienung und beginne, die Knöpfe nach dem Zufallsprinzip zu drücken. Alle Sender liegen thematisch auf derselben Wellenlänge. Das beruhigt mich zwar einerseits, bringt mich aber andererseits meinem Ziel, Vakirtsis’ Selbstmord zu verhüten, nicht näher.
»Ist es ausgeschlossen, daß es sich um einen Scherz handelt?« fragt Adriani. Sie glaubt selbst nicht daran, aber sie bringt es in der Hoffnung vor, diese Möglichkeit könnte mich beruhigen.
»Und wenn es keiner ist?« fragt Fanis zurück.
»Es ist keiner«, entgegne ich entschieden. »Niemand setzt sich hin und schreibt zum Spaß eine dreihundertseitige Biographie.«
Noch während ich das sage, kommt mir schlagartig die Erleuchtung. Ich rufe Sotiropoulos auf seinem Handy an und bete, daß er abhebt. Und der Herr läßt Adrianis Wunsch hintanstehen und erfüllt meinen. Nach dem zweiten Klingeln vernehme ich seine Stimme.
»Sotiropoulos, hören Sie zu und unterbrechen Sie mich nicht.« Ich erzähle ihm von der neuesten Biographie. »Wissen Sie, wo Vakirtsis jetzt sein könnte und wie wir seine Angehörigen benachrichtigen könnten?«
»Lassen Sie mich kurz nachdenken.« Nach einer Schweigeminute meldet sich seine angespannte Stimme zurück. »Er feiert heute seinen Namenstag und gibt in seinem Landhaus einen Empfang. Mich hat er auch eingeladen, aber ich bin auf Sendung und habe deshalb abgesagt.«
Das ist es also, sage ich mir. Er wird auf dem Empfang Selbstmord begehen, in aller Öffentlichkeit und vor seinen Gästen. Irgendein Fernsehteam wird sich schon finden, um Aufnahmen zu machen und die Tagesschau damit aufzupeppen. Aber zumindest spricht die Tatsache, daß bislang noch nichts verlautbart wurde, dafür, daß er noch am Leben ist.
»Können Sie einen seiner Angehörigen informieren?« frage ich Sotiropoulos.
»Ich habe Vakirtsis’ Handynummer, aber ich bezweifle, daß er abhebt.«
»Rufen Sie ihn nicht an! Wenn er entschlossen ist, heute Selbstmord zu verüben, wird er die Sache beschleunigen, damit wir ihn nicht davon abhalten.«
»Ich habe keine Ahnung, wer sonst noch dort sein wird.«
»Wo liegt Vakirtsis’ Landsitz?«
»Irgendwo in Vranas.«
»Die genaue Adresse?«
»Weiß ich nicht, aber die kann ich rauskriegen.« Plötzlich schlägt sein Tonfall um, und er meint genervt: »Und wie soll ich sie Ihnen durchgeben, wenn Sie kein Handy haben?«
»Ich hab da eine andere Nummer.« Und ich gebe ihm Fanis’ Handynummer durch.
»Fahren Sie schon voraus, ich komme nach.«
Das bedeutet, daß er losfährt, sowie er ein Aufnahmeteam organisiert hat. »Tu mir einen Gefallen und fahr du«, sage ich zu Fanis. »Ich setze mich in meinem jetzigen Gemütszustand lieber nicht ans Steuer.«
»In Ordnung.« Er wendet sich um und wirft Adriani einen Blick zu, die ganz verloren mitten im Wohnzimmer steht.
»Tut mir leid für den verdorbenen Abend, aber wir können nichts dafür«, sagt er sanft zu ihr.
»Macht nichts, Fanis. Man gewöhnt sich an alles.« Sie sagt es ohne Bosheit, doch mit einer großen Dosis Bitterkeit. Daraufhin wende ich mich ihr zu. »Hör zu«, sage ich. »Die Reise auf die Insel ist nicht abgesagt. Wir schieben sie nur ein wenig auf. Wir haben noch den ganzen Sommer vor uns. Wir fahren auf jeden Fall, darauf gebe ich dir mein Wort.«
»Schon gut, schon gut. Mach schnell, damit wir keinen weiteren Selbstmord auf der Mattscheibe miterleben müssen.«
Das ist eine ihrer Stärken: Wenn man das Opfer, das sie einem bringt, anerkennt, jammert sie nicht, sondern revanchiert sich mit Großmut.
33
F anis fährt einen Fiat Brava, so etwas wie den Urenkel des Mirafiori. Ich sitze an seiner Seite, halte sein Mobiltelefon in der Hand und warte auf Sotiropoulos’ Anruf, um die genaue Adresse von Vakirtsis’ Landhaus zu erfahren. Sotiropoulos’ Anruf läßt jedoch auf sich warten, und in immer kürzeren Abständen werfe ich einen ungeduldigen Blick auf die Zeitanzeige des Handys. Meine Angst wächst.
Fanis war der Meinung, wir sollten nicht über Stavros, sondern über Penteli und den ehemaligen Kiefernwald von Dionyssos fahren, der heute aus verkohlten Baumstümpfen besteht, und dann von Nea Makri aus unsere Fahrt nach Vranas fortsetzen. Erst vor einer dreiviertel Stunde sind wir von zu Hause aufgebrochen und haben bereits die Fahrt hinauf zum Wald von Dionyssos in Angriff genommen. Fanis’ Entscheidung erweist sich als richtig, denn wenn wir über Stavros
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