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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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auf den ersten Blick, ob er benutzt wurde oder ob er genauso aussieht wie am Tag nach dem Kauf. Der hier macht den Eindruck, als sei er heute morgen aus dem Computerladen geliefert worden.«
    »Habt ihr irgendwelche Dateien gefunden?«
    »Nein, aber das muß nicht heißen, daß keine drauf waren.«
    Wieder verstehe ich Bahnhof, und in meiner momentanen Stimmung wäre ich fähig, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. »Erklär mir das mal. Aber nicht im Telegrammstil. Ich schnall das nicht so schnell.«
    »Manchmal treffen auf dem Computer Nachrichten ein, die so programmiert sind, daß sie nach einem gewissen Zeitraum automatisch gelöscht werden. Andere wiederum sind so programmiert, daß sie automatisch wieder an den Absender zurückgeschickt werden. Wenn es also derartig programmierte Dateien gab, dann können wir nichts finden.«
    »Und die Biographie? Warum ist die nicht zerstört oder zurückgeschickt worden?«
    »Keine Ahnung. Nicht auszuschließen, daß man sie drauf gelassen hat, weil der Typ ja länger brauchen würde, um sie zu lesen.«
    Langsam beginne ich zu begreifen, was er mir erklären will. Logaras hatte Vakirtsis noch weitere Dateien geschickt, die er aber nur kurz lesen sollte. Nach der Lektüre wurden sie gelöscht oder zurückgeschickt. Nur die Biographie überließ er ihm für längere Zeit, da sie ohnehin zur Veröffentlichung gedacht war. Folglich gab es keinen Grund, sie zu löschen.
    Da es keine weitere Hoffnung gibt, auf dem Computer noch andere Geheimnisse zu entdecken, wende ich mich prosaischeren und alltäglicheren Verstecken, wie etwa den Schubladen, zu.
    »Haben Sie was gefunden?« frage ich Koula.
    »Meines Erachtens sind das Aufnahmen von Vakirtsis’ Sendungen.«
    Ich beuge mich vor und greife nach einer der Kassetten. Auf dem Rücken steht, wie bei allen anderen, das Sendedatum. Ich mache mich daran, die Sendung vom 21. Mai zu suchen, durch die sich Stefanakos von Vakirtsis erpreßt fühlte. Aber ich kann sie nicht finden. Da fällt mein Blick auf die letzte Schublade mit dem Sicherheitsschloß. Sie ist noch immer verschlossen.
    »Ich habe keinen Schlüssel finden können«, meint Koula.
    »Holen Sie mir mal Vakirtsis’ Frau her.«
    »Das war’s, mehr ist nicht auf dem Rechner«, sagt Spyrakos.
    Er schaltet den Computer aus und geht zum Fernseher hinüber. Er nimmt die Fernbedienung zur Hand, macht das Gerät an und fläzt sich in einen Sessel. Was ihn umgibt, interessiert ihn nicht, nur der Anblick eines flimmernden Bildschirms scheint ihn magisch anzuziehen.
    Koula kehrt in Begleitung der Vakirtsi zurück. Offenbar gibt sie sich jetzt als züchtige Witwe, denn sie hat eine lange Hose angezogen.
    »Ich suche den Schlüssel für diese Schublade. Haben Sie ihn vielleicht?«
    »Nein. Apostolos hat ihn immer bei sich getragen.«
    Somit ist er bei Vakirtsis’ Selbstverbrennung zerstört worden.
    »Ich muß sie aber öffnen.«
    »Was spricht dagegen?« meint sie gleichgültig.
    »Rufen Sie Gikas an, er soll uns einen Schlosser der Spurensicherung herschicken«, sage ich zu Koula.
    Bis zu dessen Eintreffen gehe ich hinunter auf die Veranda. Ich setze mich unter einen der Sonnenschirme und versuche mich zu konzentrieren. Da Logaras ein Exemplar der Biographie an Vakirtsis geschickt hat, liegt es nahe, daß er das auch bei den anderen beiden getan hat. Wahrscheinlich wurden sie gelöscht, aber das ändert nichts an der Tatsache. Die Frage ist, aus welchem Grund er sie ihnen geschickt hat. Mit Ausnahme einiger spitzer Bemerkungen hier und da stimmten die Biographien außergewöhnliche Loblieder auf die Selbstmörder an. Folglich bleibt die einzig logische Erklärung: Logaras wollte die Selbstmörder davon überzeugen, daß ihr Nachruhm gesichert war. Doch wozu sollten Favieros, Stefanakos und Vakirtsis nach diesem Nachruhm streben, wo sie doch ohnehin die erste Geige in der griechischen High-Society spielten? Sollten sie sich umbringen, um mit der Biographie eines ansonsten unbekannten Herrn namens Minas Logaras in das neugriechische Pantheon aufzusteigen? Bestimmt nicht, außer der versprochene Nachruhm war noch an etwas anderes geknüpft. Und das könnte mit der Tatsache zu tun haben, die mir Spyrakos vorhin erläutert hat. Logaras ließ ihnen zusammen mit der Biographie weitere Dateien zukommen, die entweder automatisch gelöscht oder an den Absender zurückgeschickt wurden. Worum es sich dabei handelte, werden wir wohl niemals erfahren. Aber mit Sicherheit hatten die Dateien etwas mit

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