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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Bukarest.
    Wäre nur Vakirtsis ermordet worden, so hätten wir Favieros und Stefanakos mittlerweile wegen Anstiftung zum Mord eingebuchtet. Denn das nächstliegende wäre: Er hat sie erpreßt, und daraufhin haben sie ihn getötet. Nur leider haben sich Erpreßte wie Erpresser umgebracht. Hier verwirren sich die Handlungsstränge dermaßen, daß man sich nur mehr verzweifelt die Haare raufen kann.
    Der Schlosser fährt als erster ab. Nicht ausgeschlossen, daß er uns verflucht, weil wir ihn in dieser Höllenglut ans Ende der Welt zitiert haben. Wegen einer solchen Lappalie. Aber das ist sein Berufsrisiko.
    Jedenfalls haben wir nun zum ersten Mal gewisse Indizien in der Hand, aber wir wissen noch nicht, wohin sie uns führen.
    »Bravo, Leute. Ihr habt hervorragende Arbeit geleistet«, sage ich zu Koula und Spyrakos, als wir am Swimmingpool vorübergehen.
    »Spyrakos in erster Linie«, meint Koula voll Begeisterung. »Ich habe es Ihnen doch gesagt: Er hat ein Händchen für Computer, es liegt ihm im Blut.«
    »Schon gut, mach mal halblang«, ist Spyrakos’ einziger Kommentar. In der jungen Generation drückt sich Bescheidenheit offenbar in einer lässiggelangweilten Pose aus.
    »Wissen Sie, Herr Charitos«, fährt Koula unerschütterlich fort, »Spyrakos denkt darüber nach, sich bei der Spurensicherung zu bewerben.«
    »Hör bloß auf, Koula. Das ist nicht in Ordnung, verdammte Kacke! Wir haben doch abgemacht, das bleibt unter uns, weil ich mir noch nicht schlüssig bin. Und du fällst mir in den Rücken. Mann, krasser geht’s nicht!«
    »Immer mit der Ruhe, wir unterhalten uns doch in aller Freundschaft. Das ist doch kein offizielles Bewerbungsgespräch, oder?« schreite ich ein. »Das einzige, was ich dich fragen wollte, wäre: Warum willst du zur Polizei? Du mußt mir aber nicht antworten.«
    »Na gut. Wenn ich Computertechnik studieren könnte und darüber hinaus noch einen sicheren Posten hätte, wär das genial.«
    Meine Generation fand diese Option noch »prima«, die jungen Leute von heute finden sie »genial«. Beiden ist das Bestreben gemeinsam, ihre Schäfchen ins trockene zu bringen. »Denk in aller Ruhe darüber nach. Und wenn du dich entschließen solltest, sag Koula Bescheid. Alles andere leiten wir dann in die Wege.«
    Ein gutes Wort für ihren Cousin einzulegen, wäre das mindeste, was Gikas für Koula tun sollte. Wir sind beim Tor angelangt. Spyrakos schwingt sich auf Koulas Mofa, und sie steigt hinten auf. Bevor sie davonbrausen, dreht sich Koula nochmals um und zwinkert mir zu. Damit deutet sie mir an, daß sie Spyrakos ganz bewußt den starken Mann mimen läßt.
    Da ich den Mirafiori unter den Bäumen geparkt habe, dampft er nicht vor Hitze. Ob er mich allerdings wieder heil nach Athen zurückbringt, steht in den Sternen.

42
    D er Gedanke kam mir mitten in der Nacht. Schlagartig durchzuckte es mich, so daß ich hochschreckte und mich im Bett aufsetzte. Ich weiß nicht, ob mir der Gedanke während eines Traums oder im Tiefschlaf gekommen ist. Denn ich kann mich an keinen Traum erinnern, in dem Logaras oder die drei Selbstmörder aufgetreten wären. Immer wenn ich derart aus dem Schlaf hochschrecke, ist mein Denkvermögen noch nicht auf Touren. Daher tat ich dasselbe wie alle Menschen in so einer Situation: Ich ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Dann saß ich im Wohnzimmer – den Oberkörper im Zimmer, die Beine auf dem Balkon.
    Die sich selbst löschenden oder von selbst zurückkehrenden Dateien, die Logaras an Favieros, Stefanakos und Vakirtsis schickte, enthielten bestimmt belastendes Material. Logaras hatte Beweise in der Hand und drohte ihnen mit einer öffentlichen Anprangerung. Die Biographie war die Alternative, die er ihnen bot, und sozusagen das kleinere Übel: Entweder geht ihr auf die Bedingung des Selbstmords vor Publikum ein, und ich veröffentliche eine Huldigung, die euren Nachruhm sichert, oder ihr bleibt am Leben, und ich hole zum vernichtenden Schlag aus. Er überstellte ihnen das Belastungsmaterial zur Ansicht, um sie zu überzeugen, daß er nicht bluffte. Gleich nach der Lektüre wurde es, mit Hilfe des Programms, von dem Spyrakos gestern gesprochen hatte, gelöscht oder an den Absender zurückgeschickt. Im Gegensatz dazu überließ er ihnen die Biographie langfristig zum Studium, um sie zu überzeugen, daß er ihnen kein Kuckucksei ins Nest legte.
    Doch die Frage bleibt nach wie vor offen: Hatte Logaras tatsächlich dermaßen schlagende Beweise in der Hand?

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