Live!
ich.
»Was habe ich dir da gesagt?«
»Daß ihr nicht mehr hinterhergekommen wärt, wenn ihr jedes Gewäsch, das sich als Bekennerschreiben ausgibt, ernstgenommen hättet. Na, jetzt seid ihr aber ganz schön auf Trab gekommen.«
»Das hat nichts mit dem Bekennerschreiben zu tun. Das hier trägt die Handschrift der Mafia.«
Die anderen drei haben sich umgedreht und verfolgen nun den zweiten Hahnenkampf.
»Wie sind sie erschossen worden?« frage ich Markidis. Obwohl ich es weiß, möchte ich, daß es nochmals ausgesprochen wird.
»Mit einem Schuß ins Auge. Alle beide.«
Ich wende mich wieder Janoutsos zu. »Die Mafiosi würden keine Zeit mit solcher Feinarbeit verlieren. Die würden sie mit Bleikugeln vollpumpen und abhauen.«
»Vielleicht hatten sie Gründe für eine solche Inszenierung.«
»Was für eine Inszenierung? Um zwei armselige Kurden umzulegen? Weißt du, wie aufwendig es ist, eine Hinrichtung mit einem Schuß ins Auge zu bewerkstelligen?«
Ich wende mich von ihm ab und schaue mich um. Die wenigen Habseligkeiten sind an Ort und Stelle, nirgendwo sind Kampfspuren festzustellen. Ich höre, wie Janoutsos zu meinen Assistenten sagt: »Dermitsakis, Vlassopoulos, ihr könnt gehen. Ich brauche euch nicht länger.«
Ich hebe den Kopf, weil ich neugierig bin, ob sie mich grüßen werden, doch sie tun so, als seien sie in ein Gespräch vertieft und gehen hinaus, ohne nach mir zu sehen. Ich kann mir ihre Haltung nicht erklären, und grimmige Wut steigt schon in mir auf. Doch ich versuche, sie im Zaum zu halten, damit sie mir die Lust an der Auseinandersetzung mit Janoutsos nicht verdirbt.
»Soviel ich sehe, gibt es keinerlei Kampfspuren«, sage ich zu Markidis.
»Nein.« Wir blicken uns an, und Markidis nickt. »Sie haben recht. Ich habe auch schon daran gedacht.«
»Woran habt ihr gedacht?« schaltet sich Janoutsos ein. »Das möchte ich gerne wissen.«
Markidis hält es für überflüssig, ihm zu antworten.
»Wenn man sie in die Brust, den Bauch oder sonstwohin geschossen hätte, würde ich meinen, sie wurden überrascht und konnten keinen Widerstand mehr leisten«, sage ich zu ihm. »Doch ein Schuß ins Auge muß sehr gezielt und gut vorbereitet sein. Wieso haben sie sich nicht gewehrt, sondern sich einfach hinrichten lassen?«
»Alles Mafiosi eben. Die kannten sich.«
»Ich würde mich nicht so sehr auf die Mafiosi einschießen, denn da könntest du noch dein blaues Wunder erleben«, sage ich und gehe zur Tür.
Markidis holt mich auf den Treppenstufen ein. »Also wirklich, wer hat bloß diesen Laffen rangeholt?« fragt er mich ärgerlich. »Vlassopoulos und Dermitsakis würden allein viel besser zurechtkommen.«
Ich entgegne lieber nichts, um meine Voreingenommenheit nicht durchscheinen zu lassen. »Was war es Ihrer Meinung nach?« frage ich.
»Ein Spray. So einer, wie ihn Einbrecher benützen, um die Hausbewohner zu betäuben, damit sie in aller Ruhe zugreifen können. Sie haben sie im Schlaf überrascht, mit dem Spray betäubt und dann ins Auge geschossen.«
»Können Sie das nachweisen?«
Er denkt einen Augenblick nach. »Das kommt auf die Zusammensetzung des Sprays an. Wenn wir Glück haben, können wir Spuren im Harn feststellen.«
Wir sind auf die Straße hinausgetreten, und auf einmal bemerke ich, daß es nicht nur an der Brille liegt. Markidis sieht aus, als hätte er sich liften lassen.
»Sie haben sich ja von Grund auf verändert«, sage ich überrascht. »Wie neugeboren.«
Ein breites Lächeln überzieht sein Gesicht, das zehn Jahre lang keine Spur von Humor zeigte. »Ich war gespannt, ob es Ihnen auffällt.«
»Aber klar! Das sieht man doch!«
»Ich habe mich scheiden lassen und werde meine Sekretärin heiraten.«
»Wie lange waren Sie verheiratet?« frage ich perplex.
»Fünfundzwanzig Jahre.«
»Und dann haben Sie sich scheiden lassen?«
»Allerdings hat sie die Vierzimmerwohnung abgesahnt, die ich von unseren Ersparnissen gekauft hatte, aber was soll’s.« Plötzlich bricht es aus ihm heraus: »Ich lebe wieder, Charitos. So viele Jahre lang war ich im Tiefschlaf«, sagt er begeistert.
So muß es wohl sein, von seiner Kleidung her zu schließen. Markidis, der zehn Jahre lang ununterbrochen im selben Anzug herumlief, trägt nun ein petrolfarbenes Jackett mit roten Quadraten, eine dunkle Hose, ein orangefarbenes Hemd und eine Krawatte mit futuristischem Muster, die in der Sonne glitzert.
»Kümmert sich Ihre zukünftige Ehefrau um Ihre Garderobe?« frage ich, und im
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