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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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erinnern?«
    »Selbstverständlich! Es war an einem Freitag. Von Mittag bis Abend waren die Telefone heißgelaufen, aber Jason hatte sich in seinem Büro eingeschlossen und mir strengstens untersagt, Anrufe weiterzuleiten oder ihn zu stören.«
    »Und wann genau haben Sie ihn gefragt, ob er einen Roman schreibe?« Samanis scheint sich daran zu ergötzen, mir eine Kostprobe seiner Verhörmethoden zu geben.
    »Gegen acht Uhr abends, als er nach Hause fahren wollte. Bis dahin hatte er kein Lebenszeichen von sich gegeben. ›Aber was tust du denn stundenlang eingeschlossen in deinem Büro? Schreibst du an einem Roman?‹ Das habe ich ihn gefragt, um ihn zu necken. Aber er hat mir ganz ernst geantwortet: ›Ich habe ihn schon fertig und lese gerade Korrektur.‹«
    »Erinnern Sie sich, wie lange vor dem Selbstmord das war?« frage ich.
    Sie gibt Samanis die Antwort, als hätte er sie gefragt. »Es muß drei Monate davor gewesen sein.«
    Ich werde wohl mit Sarantidis, seinem Verleger, abklären müssen, wann er das Manuskript erhalten hat, aber drei Monate, das kommt ungefähr hin.
    »Dürfte ich Sie ersuchen, die Nachforschungen im Umfeld der BALKAN PROSPECT einzustellen?« bemerkt Samanis überaus formell, nachdem die Lefaki gegangen ist. »Erstens, weil ihre Geschäfte vollkommen rechtmäßig sind, und zweitens, weil Sie nicht dem Fachdezernat für Wirtschaftskriminalität angehören.« Er macht eine kleine Pause und fügt vielsagend hinzu: »Außer, Sie möchten von Ihren Vorgesetzten dazu veranlaßt werden.«
    Nach so vielen Jahren im Polizeikorps kann ich immer noch nicht begreifen, warum jeder Schaumschläger mit ausreichend Vitamin B es für notwendig hält, meine Vorgesetzten als Kinderschreck einzusetzen, um eine Sache aus der Welt zu schaffen.
    »Ich kann Ihnen sagen, was passiert, wenn Sie mit meinen Vorgesetzten sprechen«, sage ich. »Die müssen daraufhin mit mir Rücksprache halten, dabei kriegen möglicherweise andere etwas davon mit. Und von da an ist es nur noch eine Frage der Zeit, daß alles den Journalisten zu Ohren kommt, die sogar wissen, wie oft wir im Präsidium auf die Toilette gehen.«
    Bis er meine Worte verdaut hat, habe ich den neoklassizistischen Gebäudeteil längst verlassen.
    Zu Hause erwartet mich eine Überraschung. Vor dem Computer sitzt Koulas Cousin, den sie am ersten Tag unserer Zusammenarbeit mitgebracht hat, mit Koula an seiner Seite. Die beiden hören mich eintreten und wenden sich um. Der junge Mann beschränkt sich auf ein trockenes »Hallo«. Koula jedoch springt von ihrem Stuhl auf und sagt voller Begeisterung:
    »Halten Sie sich fest! Wir haben uns im Handelsregister eingeloggt und Informationen über Stathatous Firmen gefunden! Wissen Sie, wer mit vierzig Prozent an Stathatous Beratungsbüro beteiligt ist?«
    »Favieros.«
    »Nein. Frau Sotiria Markaki-Favierou, Jason Favieros’ Ehefrau.« Ich verstumme einen Augenblick lang, um die Nachricht einzuordnen, während Koula mit derselben Begeisterung fortfährt. »Ich war im Handelsministerium, wie Sie mir aufgetragen hatten, aber dort bin ich auf einen Holzkopf gestoßen, der nicht mit sich reden ließ. Und als ich dann gezwungen war, mich als Ermittlerin auszuweisen, hat er mich von oben herab angesehen und gesagt, ich solle meinen Vorgesetzten vorbeischicken, vorzugsweise mit einer Weisung des Staatsanwalts. Da ist mir Spyrakos, mein Cousin, eingefallen.«
    Sotiropoulos war nicht in den Sinn gekommen, daß seine Gäste möglicherweise nicht von Favieros, sondern von seiner Frau sprachen.
    »Da ist noch etwas, aber ich fürchte, es wird Ihnen nicht gefallen«, ergänzt Koula und reicht mir eine aufgeschlagene Zeitschrift vom Tischchen herüber. »Die hat Spyros mitgebracht, und beim Durchblättern bin ich darauf gestoßen.«
    Es handelt sich um eine halbseitige Anzeige.
     
    LOUKAS STEFANAKOS
    LEBEN UND POLITISCHER KAMPF
    Dargestellt vom Verfasser der Biographie
    von Jason Favieros
    MINAS LOGARAS
     
    Darauf folgt das Umschlagfoto und darunter der Name des Verlags: EUROPUBLISHERS . Auf das Nächstliegende war ich nicht gekommen: Logaras hat die zweite Biographie an einen anderen Verleger geschickt.
    Meine Theorie über die Autorschaft von Favieros’ Biographie, die ich noch vor einer Stunde Janneli und Samanis als meinen Trumpf serviert hatte, wird durch diese neue Wendung zunichte gemacht. Ich male mir aus, wie sich die beiden über mich lustig machen werden, sobald sie die Anzeige sehen. Doch im Moment kümmert mich das

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