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nichts finden, was die BALKAN PROSPECT belasten würde«, greift die Janneli ein. »Das habe ich Ihnen schon bei Ihrem Besuch klargemacht. Unser Netzwerk ist sehr lose. Die lokalen Maklerbüros treffen eigenständige Entscheidungen über ihre geschäftlichen Belange. Die BALKAN PROSPECT trägt dafür keine Verantwortung.«
»Sie haben mir doch gesagt, daß Sie die Verträge prüfen.«
»Nur bezüglich der Rechtmäßigkeit des Geschäfts. Nicht, was den Kaufpreis angeht. Darüber hinaus ist mir auch nicht klar, wie all das mit Jasons Selbstmord zusammenhängen sollte.«
Es hängt auch nicht damit zusammen. Und genau deswegen bohre ich weiter, in der vagen Hoffnung, anderswo einen Anhaltspunkt zu finden, damit mir Janoutsos meine Stelle nicht wegschnappt.
»Bemühe dich nicht, Koralia«, meint Samanis sarkastisch. »Der Herr Kommissar möchte das Motiv für Jasons Freitod ja gar nicht herausfinden, sondern nur sein Andenken besudeln. Das war immer schon der Lieblingssport der Polizei.«
Unser Lieblingssport war also, die Linken in den Schmutz zu ziehen. Derselben Meinung ist auch Sissis, und von seiner Seite respektiere ich das. Doch zwischen Sissis und Samanis besteht ein himmelweiter Unterschied.
»Eines wüßte ich gern, Herr Kommissar. Wie sind Sie auf das Offshore-Unternehmen mit seinen Maklerbüros überhaupt gekommen?« meldet sich die Janneli wieder zu Wort.
»Durch die Biographie, die nach Favieros’ Tod auf den Markt kam.«
Sobald das Stichwort Biographie fällt, springt Samanis auf. »Dieser Idiot hat uns sehr geschadet!« ruft er aus.
»Jetzt übertreibst du aber«, meint die Janneli mit einem Lächeln.
»Kennen Sie ihn?« frage ich.
Samanis geht wieder der Hut hoch. »Nein, ich kenne ihn nicht, noch möchte ich ihn je kennenlernen! Mich regt nur auf, daß er Jasons Freitod ausnützt, um Geld zu machen.«
»Sie irren sich. Die Biographie ist vor dem Selbstmord verfaßt und dem Verleger übergeben worden. Wir haben das nachgeprüft.«
Sie blicken mich verdattert an. »Dann werden Sie ja wissen, wer er ist«, bemerkt die Janneli.
»Nein, und ich bezweifle, daß er existiert. Zumindest nicht unter dem Namen Minas Logaras.«
Ich erzähle ihnen die ganze Geschichte über die Suche nach Minas Logaras und wie sie in einer Sackgasse endete. »Jedenfalls befindet sich die angegebene Adresse in der Nähe von Jorgos Iliakos’ Maklerbüro«, stelle ich abschließend fest.
»Wollen Sie damit sagen, der Makler hätte die Biographie verfaßt?« fragt die Janneli mit einem Anflug von Ironie.
»Nein. Aber vielleicht hat Favieros selbst sie geschrieben und unter einem Pseudonym verschickt. Lassen Sie sich diese Auffassung durch den Kopf gehen: Er hat beschlossen, sich umzubringen, aber vor der Tat schreibt er seine Autobiographie und schickt sie an einen Verleger.«
Anscheinend habe ich es geschafft, sie zu überrumpeln, denn sie blicken sich an und versuchen sich auf das Gehörte einen Reim zu machen.
»Ausgeschlossen«, meint Samanis entschieden. »Jason stand ständig unter Strom wegen der Bauarbeiten für die Olympiade. Er ist den ganzen Tag zwischen den Baustellen, den Ministerien und den Organisationsbüros der Olympiade hin- und hergeeilt. Ihm ist doch keine Zeit geblieben, sich mit seiner Autobiographie zu befassen.«
»Seine Privatsekretärin sieht das aber anders«, halte ich dagegen.
Nun ist die Janneli an der Reihe, sich zu wundern.
»Wie das?«
»Bei der Befragung hat sie erzählt, Favieros hätte sich stundenlang in seinem Büro eingeschlossen. Und als sie ihn scherzhaft fragte, ob er an einem Roman schreibe, entgegnete er, er hätte ihn schon fertig und läse gerade Korrektur.«
Sie blicken sich kurz an. Samanis hält einen Moment unentschlossen inne, dann drückt er auf den Knopf des Haustelefons und sagt zu seiner Sekretärin: »Theoni soll bitte herüberkommen.«
Die Lefaki hält bei ihrem Eintritt den Blick geradewegs auf Samanis gerichtet, mich ignoriert sie völlig. Das Gerücht, daß ich es angeblich darauf abgesehen hätte, Favieros’ Andenken zu besudeln, bleibt also noch auf die dritte Etage beschränkt. Immerhin hat mich ja die Fünfzigjährige an der Rezeption noch mit einem sehr freundlichen Lächeln empfangen.
»Theoni, bei seinem letzten Besuch haben Sie dem Kommissar erzählt, Sie hätten Jason einmal gefragt, ob er einen Roman schreibe, und er hätte geantwortet, er hätte ihn schon fertig und läse Korrektur. Können Sie sich daran
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