Live!
Handlungsweise untergräbt die demokratischen Grundrechte. Welcher vernunftbegabte Mensch glaubt denn, daß drei junge Leute zwei bedeutende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik wie Jason Favieros und Loukas Stefanakos zum Selbstmord treiben können?«
»Und was ist mit den beiden Kurden?« fragt ein Journalist.
»Mein Klient hat mit der Ermordung der Kurden nicht das geringste zu tun, was wir vor Gericht beweisen werden.«
»Sie glauben also, daß die Anschuldigungen mit Absicht zu Unrecht erhoben werden?« fragt ein anderer Journalist.
»Ich glaube, daß einige nach Bauernopfern suchen, damit sich der für die Regierung schädliche Aufruhr um die Skandale und um die Fernsehsender wieder legt.«
»Siehst du? Und du hast mir nicht geglaubt!« triumphiert Adriani.
Ich nicke, als würde ich ihr recht geben, weil ich momentan keine Lust auf ein Gespräch habe. Die Worte des Anwalts haben mir die Augen geöffnet, und ich durchschaue das Spiel. Petroulakis, der Berater des Premierministers, hat gemerkt, daß ich mich nicht mit ihm in Verbindung setze, und daraufhin beschlossen, die Vertuschung des Falles jemand anderem zu übertragen. So gelangte die Angelegenheit, ohne Intervention der Abteilung für Terrorismusbekämpfung, in Janoutsos’ Hände.
Das ist der Todesstoß für meinen Dienstposten. Nachdem Janoutsos bereitwillig den Befehl ausgeführt und die drei Rechtsextremen eingelocht hat, wird er zweifellos seine Belohnung einstreichen wollen. Und die wird in meinem Posten bestehen. Mein Genesungsurlaub endet in weniger als einem Monat, und ich sollte schon jetzt nach einem Unterschlupf suchen, in dem ich meine Wunden lecken kann.
Das Schrillen des Telefons reißt mich aus meinen Gedanken. Adriani hebt niemals ab, wenn ich zu Hause bin, da in neun von zehn Fällen meine Dienststelle dran ist. Ich gehe ran und höre Katerinas Stimme.
»Papa, hast du das gehört?«
»Mhm.«
»Aber sind die noch bei Trost? Diese Dorftrottel sollen einen Großunternehmer und einen Politiker ersten Ranges zum Selbstmord getrieben haben? Was ist denn das für ein Schwachsinn!«
»Frag mich nicht, mein Schatz, ich weiß auch nicht mehr als du.«
»Eines sage ich dir aber: Ausgeschlossen, daß man mit diesen unsinnigen Anschuldigungen vor Gericht gehen kann.«
»Vielleicht wissen sie mehr, decken ihre Karten aber noch nicht auf.«
»Möglich, aber wahrscheinlich will man die laufende Diskussion unterbinden. Ganz so, wie auch der eine Anwalt gemeint hat.«
»Man wird ja sehen. Warte, ich gebe dir Mama.«
Ich bin nicht in der Stimmung, das Gespräch fortzusetzen. Katerina sagt mir nur, was ich selbst auch weiß, doch das ändert nichts an meinem Geschick. Man wird mich mit einer Tapferkeitsmedaille auszeichnen und dann ins Niemandsland verfrachten.
Als ich gerade darüber nachdenke, kommt mir eine meiner plötzlichen Eingebungen, und ich durchschaue Gikas’ Spiel. Möglicherweise wußte die Terrorismusfahndung nichts, doch Gikas war bestimmt eingeweiht. Im Präsidium läuft nichts ohne Gikas’ Wissen. Verbittert stelle ich fest, daß meine Analyse richtig war, die ich am Tag meines Besuchs beim Notar erstellt hatte. Gikas hat mich nur unterstützt, solange die Ermittlungen inoffiziell waren und keine Gefahr für ihn bestand, das Gesicht zu verlieren. Aber sobald er von seinen Vorgesetzten die Anweisung bekam, den Fall abzuschließen, ließ er mich blindlings in die Falle tappen und unterstützte Janoutsos, weil es ihm so besser in den Kram paßte.
Ich merke, wie die Wut in mir hochkocht, eile zum Telefon und rufe Gikas unter seiner Privatnummer an. Ich lasse an die zehnmal läuten, doch niemand hebt ab. Sicherlich denkt er sich, daß ich ihn zu erreichen versuche, und geht nicht ran, um einer unangenehmen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, die ihm den Appetit verderben könnte.
Adriani ruft aus der Küche zum Essen. Es gibt Briam – Schmorgemüse aus dem Ofen –, aber ich kriege keinen Bissen runter.
»Wieso quälst du dich eigentlich so?« meint sie, als ich lustlos im Essen stochere. »Sollen die sich doch abstrampeln! Du kannst den Ruf der Polizei auch nicht retten.«
Sie meint, mich quäle der Gedanke, daß das Polizeikorps schlecht dasteht. Denn ich habe ihr nicht gesagt, welcher heimliche Kummer tatsächlich an mir nagt. Der Ruf des Polizeikorps ist mir schnurzegal, nur der Verlust meines Arbeitsplatzes brennt mir auf der Seele. Nach unzähligen Versetzungen war ich auf diese Stelle berufen worden,
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