Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Kleider lagen um das Feuer ausgebreitet und trockneten allmählich in der knisternden Hitze und ich erzählte William, was passiert war, als ich Sonntagnacht endlich ins Screen on the Green zurückkam.
»Ich war gar nicht so spät dran«, erklärte ich ihm. »Vielleicht gegen Viertel vor eins, aber als ich reinkam, waren die Buzzcocks gerade mit ihrem Set fertig; das heißt, sie haben anscheinend statt uns gegen Mitternacht angefangen.«
»Konntet ihr nicht nach ihnen spielen?«
»Das hatte ich auch gedacht, aber offensichtlich hatten The Clash schon ihr Equipment aufgebaut, und so … na ja … war’s das dann wohl.«
»Und was hat Curtis gesagt?«
»Also, der war natürlich echt angepisst, als du nicht kamst, und leider hab ich es auch nicht vor neun geschafft.«
»Wieso nicht?«
»Meine Mum … ach, das ist eine lange Geschichte, jedenfalls ging es ihr nicht gut, also musste ich eine Weile dortbleiben.«
»Was ist mit deiner Mum?«
Ich sah ihn an. »Das ist wirklich eine lange Geschichte, William. Ich erzähl’s dir ein andermal, ja?«
»Gut.«
»Wie auch immer …«, seufzte ich. »Curtis war jedenfalls stinksauer, dass ich zu spät kam, und er war doppelt stinksauer, dass du überhaupt nicht da warst … und dann, als ich dich suchen gegangen bin und erst eine Dreiviertelstunde, nachdem wir hätten spielen sollen, wieder aufkreuzte …« Ich sah William an. »Na ja, so richtig übel nehmen kann ich es ihm nicht, dass er da ausgerastet ist.«
»Ich fürchte, nein …«
»Ich meine, das sollte der Auftritt werden, der, der uns groß rausbringen würde … das war es, was Curtis immer gewollt hat. Das ist sein ganzer Traum … «
»Na gut«, sagte William leise. »Aber man bekommt nun mal nicht immer das, was man will.«
»Kann sein … aber –«
»Es gibt mehr im Leben als hohle Träume.«
»Schon, aber Musik ist Curtis’ Leben . Sie ist das Einzige, was ihn interessiert.«
»Nein, stimmt nicht. Wenn die Musik wirklich alles wär, was ihn interessiert, würde er einen Scheiß auf einen Plattenvertrag geben und der ganze Mist von wegen ›groß rauskommen‹ wär ihm egal … dann ginge es ihm nur ums Spielen. Aber bloß Spielen reicht ihm nicht. Was er wirklich will,ist die Kacke, die da mit dranhängt – das Bekanntsein, der Ruhm, das Bewundertwerden …« William sah mich an. »Was ist denn das für ein Traum?«
»Seiner«, sagte ich einfach.
William schwieg einen Moment, sah mich nur weiter an … und dann, nach einer Weile, nickte er bedächtig und sagte: »Ja, vielleicht hast du recht … wir haben eben alle verschiedene Träume. Wer soll da bestimmen, wovon man träumen darf oder nicht?«
»Du?«, sagte ich lächelnd.
»Ja, klar«, antwortete er und lachte. »Ich meine, schau mich doch an – so wie ich hier hocke, in einer verfallenen Kapelle, eingewickelt in ein altes Stück Sack … ich hab mein Leben doch wirklich im Griff, findest du nicht?«
»Könnte wesentlich schlimmer sein«, antwortete ich.
»Ja?«
»Du könntest allein sein.«
Er lächelte. »Das stimmt.«
»Oder noch schlimmer … du könntest mit du weißt schon wem hier sitzen.«
»Wen meinst du?«
»Du weißt , wen ich meine.«
Er grinste. »Doch nicht etwa …?«
»Doch …«
»Den Gott-Menschen?«
»Ja, du könntest mit dem Gott-Menschen hier sitzen.«
»In seinem Regenzeug?«
»Nein … ohne sein Regenzeug.«
»Niemals!«
»Nur in Gummistiefeln.«
»Nein!«
»Er säße direkt hier«, fuhr ich fort, »nackt und total aufgedunsen, und dann plötzlich –« Ich fuhr mit meiner Hand über Williams Rücken. »Plötzlich würdest du eine seiner allmächtigen Pranken auf deiner Schulter spüren …«
William jaulte auf und rollte sich zur Seite, als ich seine Schulter packte. Ich lachte und sprang auf ihn, drückte ihn zu Boden und senkte mein Gesicht auf seins.
»… und dann würde er versuchen, dich mit seinen allmächtigen Lippen zu küssen …«
»Nein!«
»Doch!«
»Nein …«
»Doch …«
»… doch …«
»… jetzt bist du aber nicht mehr der Gott-Mensch, was?«
»Nein.«
»Jetzt bist du nur du.«
»Nur ich.«
»Gut … denn sonst wär es irgendwie gruselig …«
»Ich bin nur ich …«
»… ich meine, ich weiß ja, dass dir gruselig gefällt … aber es gibt gruselig … und richtig gruselig, wenn du verstehst, was ich meine –«
»William?«
»Ja.«
»Halt die Klappe.«
»Okay.«
Es regnete weiter, das Gewitter zog ab und kam immer wieder zurück und William und ich
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