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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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anderer Akteure, doch für die Schauspielerei hatte sie einfach kein Talent.
    Das wusste sie auch selbst. Sie wusste, dass ihr Auftritt peinlich schlecht war, dass sie nach der Premiere von den Kritikern zerpflückt werden würde und dass ihre Schauspielkarriere zu Ende war, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
    Und als ob das alles nicht schon genug wäre, wusste sie auch, dass Rafael sie nicht mehr liebte … wenn er es überhaupt je getan hatte. Drei Monate, nachdem er zum Schneiden des Films nach Los Angeles geflogen war, kehrte er noch einmal zurück – aber nur für zwei Tage und auch bloß, um sie einen Vertrag unterschreiben zu lassen. Sie bat ihn zu bleiben und ging irgendwann sogar so weit, vor ihm auf die Knie zu fallen und ihn anzuflehen, er möge sie nicht verlassen.
    »Ich brauche dich hier, Rafa«, schluchzte sie. »Es ist so einsam in diesem Haus.«
    »Tut mir leid, Mari, ich muss arbeiten.«
    »Aber ich kriege ein Kind . Was ist, wenn irgendwas schiefgeht?«
    »Da geht nichts schief.«
    »Ich hab schon mal –«
    »Alles wird gut gehen, vertrau mir. Ich sorge dafür, dass du die besten Leute kriegst.«
    »Ich will keine verdammten Leute !«, schrie sie ihn an. »Ich will dich ! Du gehörst an meine Seite, verflucht noch mal. Du bist verdammt noch mal mein Mann .«
    Er blieb nicht. Er flog am nächsten Tag zurück nach Los Angeles, und soviel ich weiß, kehrte er nie wieder nach Hampstead zurück. Als ich im Juni 1959 geboren wurde, hatte Rafael bereits die Scheidung beantragt und traf sich in aller Öffentlichkeit mit einer anderen jungen Schauspielerin, die später seine zweite Frau wurde. Als die Scheidung schließlich durch war, wurde meiner Mutter eine erste Pauschale von 3 000 000 Dollar zugesprochen, dazu weitere Zahlungen von jährlich 500 000 Dollar für den Rest ihres Lebens. Außerdem behielt sie das Haus in Hampstead.
    Und verlor allmählich den Verstand.
    Natürlich hatte ich, bis ich neun oder zehn war, keine Ahnung, dass mit meiner Mutter etwas nicht stimmte. Wie alle Kinder ging ich davon aus, dass mein Leben – mein Zuhause, meine Mutter – normal war. Ich kannte ja nichts anderes. Ich wusste nicht, dass sich Eltern nicht wochenlang in ihrem Zimmer einschließen und dich nicht einer Serie von gleichgültigen Kindermädchen überlassen. Ich hatte keine Ahnung, dass Mütter normalerweise nicht so unberechenbar waren wie meine, die mich in der einen Sekunde über alles liebte und in der nächsten mit vor Hass glühenden Augen anschrie.
    Ich wusste nicht, dass meine Mutter eine gebrochene Frau war.
    Für mich war sie einfach nur meine Mutter.
    Erst als ich in der Schule Freundschaften schloss, wir über Dinge redeten, auch über unsere Familien, und als ich nachmittags oder zu Geburtstagspartys eingeladen wurde … erst da begriff ich, dass mein Leben alles andere als normal war. Die meisten meiner Freundinnen hatten erstens schon mal einen Vater. Und selbst wenn die Eltern geschieden waren, sahen sie ihn ab und zu. Ich dagegen hatte meinen nie zu Gesicht bekommen. Außerdem kämpften, soweit ich wusste, die Mütter meiner Freundinnen nicht ständig mit irgendeiner Form von Sucht oder mit Wahnvorstellungen und ihr Alltag wurde auch nicht von Depressionen und manischen Zuständen zerstört.
    Je älter ich wurde, desto bewusster wurde mir das Leid meiner Mutter. Es war nicht immer sichtbar, es gab auch lange Phasen, in denen alles wunderbar normal schien. Es konnten Wochen vergehen, manchmal sogar Monate, in denen sie nicht den ganzen Tag schlief, ohne Ende betrunken war oder total durch den Wind von irgendwelchen Medikamenten. Zeiten, in denen sie nicht in dreckigen alten Sachen durchs Haus lief, sich nicht alle fünf Minuten die Hände wusch, nicht jede Nacht ausging und andauernd mit einem anderen Mann nach Hause kam. Sie konnte in diesen Phasen ganz normale Dinge tun. Sie kochte, ging einkaufen, las Bücher, schaute fern. Sie sprach mit mir, erzählte mir Geschichten. Erzählte mir von ihrem Leben. Doch dann machte es plötzlich Klick und die Manie oder Depression – oder was es auch war – übernahm wieder die Macht und meine Mutter entwickelte eine neue Sucht oder neue Wahnvorstellungen, und ich konnte nur hoffen, dass sie nicht komplett abdrehen würde.
    Noch eine letzte Sache zu meiner Mutter. Die Frage, die sich wahrscheinlich jeder stellen würde, war ja: Wenn sie das Haus in Hampstead so hasste, wieso blieb sie dann dort? Wieso verkaufte sie es nicht und zog irgendwo anders

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