Lizenz zum Kuessen
die Patientenakten interessieren?«
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen«, sagte Laura.
»Erzählen mir etwas über Lawans Tochter«, bat Nikki sie. Laura wäre entsetzt, wenn sie ihr von dem Bild auf Victors Handy berichtete, also musste sie die Sache behutsam angehen.
»Ach, die kleine Lindawati«, schwärmte Laura. »Sie ist
absolut hinreißend. Und so intelligent. Bald kommt sie für die Sommerferien nach Hause. Nachdem Lawan verschwunden war, habe ich allerdings in ihrer Schule angerufen, dass man sie noch nicht nach Hause schickt. Ich wollte ihr ersparen, dass sie von dem Verschwinden ihrer Mutter erfährt. Allerdings wollte man mich nicht mit ihr sprechen lassen - angeblich würde das gegen die Sicherheitsvorschriften verstoßen.« Laura klang verärgert. »Dann habe ich das Netzwerk bemüht und versucht, jemanden mit Kontakten zur Schule zu finden. Ich mache mir solche Sorgen, dass Lindawati die ganzen Ferien ohne Erklärung im Internat bleiben muss.«
»Das Netzwerk?«, fragte Nikki nach.
»Der Kreis jener, die sich einen Internatsbesuch leisten können, ist recht klein - und es findet sich immer jemand, der einem noch einen Gefallen schuldet.«
»Das klingt ja wie die Mafia«, fand Nikki. Laura lachte, aber Nikki war in Gedanken schon wieder anderswo. Sie dachte daran, dass Lindawati nicht mehr in der Schule war. Irgendwie hatte Victor die Sicherheitsvorkehrungen der Schule umgangen. Dann rief sie sich nochmal die Szene im Männerklo in Erinnerung. »Lindawati ist damit nicht geholfen«, hatte Lawan gesagt. Victor hatte Lindawati gekidnappt, um auf Lawan Druck auszuüben. Aber warum? Von zu Hause aus hatte Lawan zur Rival-Reederei recherchiert, in der Klinik stapelweise Patientenakten gesichtet. Was hatte das eine mit dem anderen …
»Nikki?«, fragte Laura. »Sind Sie noch dran?«
»Der Krankenpfleger«, dachte Nikki laut weiter. »Den hatte ich ganz vergessen.«
»Was?«, fragte Laura entgeistert.
»Victor hat häufig in der Klinik angerufen, und wir haben
gesehen, wie der Krankenpfleger ihm eine CD zugesteckt hat. Er muss mit dem Krankenpfleger gesprochen haben! Lawans Interesse an der Rival-Reederei dürfte mit ihrem Engagement für schärfere Sicherheitskontrollen am Hafen zusammenhängen. Und dabei muss sie auf etwas gestoßen sein - irgendeine Verbindung zwischen Rival und der Klinik -, und dann haben Victor und Sarkassian Lindawati gekidnappt, um Lawan zum Schweigen zu bringen.«
»Was?!«, kreischte Laura. Nikki hätte sich treten können, weil ihr das so unbedacht herausgerutscht war. »Das ist unmöglich! Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?! Ich habe in der Schule angerufen! Man hat mir gesagt, es gehe ihr gut … Wir müssen sofort die Polizei verständigen!«
»Würde Lawan glauben, dass die Polizei ihr helfen könnte, hätte sie das wohl längst getan«, sagte Nikki und hörte Laura abgrundtief seufzen.
»Das ist wirklich ungeheuerlich! Rival-Reederei sagten Sie? Wissen Sie, was ich mache? Gleich morgen werde ich dort aufkreuzen und eine Erklärung verlangen!«
»Laura, das halte ich für keine gute Idee«, versuchte Nikki sie zu beschwichtigen und wünschte, sie hätte den Mund gehalten. »Überlassen Sie das bitte den Profis.« Sie musste an Z’ev und seinen mysteriösen Auftraggeber denken. Mittlerweile war sie sich ziemlich sicher, dass er für die CIA arbeitete.
»Ach ja, Sie haben wahrscheinlich Recht«, meinte Laura, klang aber noch immer höchst aufgebracht. »Ich vertraue darauf, dass Sie und Val die beiden finden und alles ein gutes Ende finden wird, aber ich mache mir solche Sorgen um Lawan. Und mein Gott, die arme Lindawati …« Es folgte ein ersticktes Schluchzen. Nikki schluckte schwer, als ihr klarwurde, dass Laura sich ganz auf sie verließ und von ihr die Arbeit eines Profis erwartete.
»Aber von was wollen sie so dringend, dass Lawan es für sich behält?«, fragte Laura schniefend. Nikki schüttelte es bei dem Geräusch. »Welches Interesse könnte eine Reederei an einer gemeinnützigen Klinik haben?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Nikki, »aber wir werden alles tun, um es herauszufinden, das verspreche ich Ihnen. Wir werden Lawan finden. Alles wird wieder gut.« Nikki versuchte so zu klingen, als glaube sie ihren eigenen Worten.
»Ich wünschte nur, ich könnte irgendetwas tun. Soll ich in die Klinik fahren und mir die Patientenakten ansehen?«
»Nein, ich glaube, das wird nicht nötig sein«, beeilte Nikki sich zu sagen. Eine weitere
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