Lizenz zum Kuessen
heller leuchten. Eine Band spielte, und Nikki hörte, wie Sarkassian halb im Scherz nach Vals Lieblingslied verlangte.
»You got a fast car«, verkündete er, und Val knuffte ihn in die Schulter.
Der Bandleader wirkte unschlüssig, ob er es nun spielen solle oder nicht.
Val winkte ab. »War nur ein Scherz«, meinte sie, und ihre Stimme trug durch das ganze Foyer. »Er weiß, dass ich diesen Song nicht ausstehen kann.«
Schade, dachte Nikki, die Tracy Chapman eigentlich immer ganz gut gefunden hatte. Kurz erwog sie, sich Val irgendwie bemerkbar zu machen, zögerte aber. Val schien die Situation gut im Griff zu haben, und Nikki wollte mehr über Sarkassian herausfinden - am besten gleich, wo er Lindawati versteckt hielt. Solange Val Sarkassian in Schach hielt, bot sich die perfekte Gelegenheit für ein bisschen Recherche vor Ort. Ein kleines Problem war nur der Wachmann, der sich an der Treppe postiert hatte. Ein grobschlächtiger Schlägertyp in alberner Uniform, unter deren Jacke sich ziemlich offensichtlich eine Waffe abzeichnete, die Nikkis geübtem Auge nach eine Heckler & Koch MP7 sein dürfte. Dieses Wissen half ihr allerdings wenig, wenn es darum ging, unbemerkt nach oben zu gelangen. Langsam schlenderte Nikki Richtung Treppe, holte im Vorbeigehen ihren Rucksack wieder hinter der Topfpalme hervor und zermarterte sich den Kopf über einen schlauen Plan.
»Was ich damit sagen will«, sagte da ein junger Mann, der aus dem Foyer kam, »ist, dass meine Serie über moderne Schönheit eine Gegenüberstellung weicher Formen und der harschen Wirklichkeit unserer Zeit ist, weshalb die Nacktheit begründet ist. Ihr beiden solltet mal für mich Modell
stehen.« Er war ganz in Schwarz gekleidet und hatte in jedem Arm eine junge Frau - links eine Blondine, rechts eine Brünette - und um den Hals eine Kamera mit geradezu phallischem Objektiv.
»Hey«, sagte Nikki und trat an ihn heran, »haben Sie nicht die Serie über moderne Schönheit gemacht?«
»Aber ja«, freute sich der Fotograf und streckte ihr seine Hand hin. »Das habe ich.«
»Das trifft sich ja fantastisch!«, rief Nikki und strahlte ihn mit ihrem Carrie-Mae-Lächeln an. »Als ich mir nämlich eben diesen Wachmann anschaute«, sie zeigte auf den Uniformierten an der Treppe, »musste ich an eines Ihrer Bilder denken. Sie wissen schon, dieses eine …« Sie ließ den Satz offen und hoffte, dass ihre Strategie aufging.
»Ach ja, ich weiß schon«, biss der Fotograf an, »das mit den Soldaten während des Putsches.«
»Schade, dass Sie keine Models dabei haben«, meinte Nikki.
» Wir können doch Modell stehen!«, rief eine seiner Begleiterinnen.
»Ähm, ja …« Das schien dem Fotografen nicht so ganz ins Konzept zu passen.
»Aber ja, klar.« Nikki nickte anerkennend. »Die beiden sind scharf.«
»Cool!«, kreischte die Blonde und stürzte sich auf den Wachmann.
»Also, ich glaube nicht …«, begann der und versuchte die Frau loszuwerden.
»Hier wird nicht geglaubt«, sagte der Fotograf, der schon eifrig Fotos schoss. »Gut, macht weiter so. Baby, geh ihm mal an die Wäsche, damit man die Knarre besser sieht.«
»Nur nicht so schüchtern«, sagte Nikki und schob die Brünette mit ins Bild.
»Yeah«, rief der Fotograf und sprang um sie herum. »Am besten alle drei. Wie die Hexen von Eastwick. Super.«
Nikki wartete noch drei weitere Bilder ab, dann, als der Wachmann sein Gesicht gerade im Dekolleté der Blondine vergraben hatte, schlich sie sich die Treppe hinauf.
Die oberen Räume waren geradezu besorgniserregend aufgeräumt. Es sah aus, als würde Sarkassian in einem Hotel leben. Außerdem fühlte Nikki sich von der exklusiven, Zeninspirierten Einrichtung an Vals Haus erinnert, aber das konnte auch nur Einbildung sein. Wahrscheinlich lag es an den harten, klaren Linien der modernen Möbel aus schwarzem Leder und Metall, die neben einigen reich verzierten, aber ausgesucht edlen thailändischen Antiquitäten standen.
Langsam lief Nikki den Korridor entlang und lauschte aufmerksam. Die dritte Tür stand ein Stück offen. Drinnen sah sie das bläulich schimmernde Licht eines Computerbildschirms. Nikki ging in die Hocke und sondierte die Lage aus Bodenhöhe. Die Luft schien rein zu sein, aber vorsichtshalber blieb Nikki in Deckung, als sie in das Zimmer huschte.
Es war ein Büro. Und es war befremdlich. Nikki hatte erwartet, dass es Sarkassians Garderobe ähneln würde - teuer, handgefertigt, europäisch. Doch sie hatte sich völlig getäuscht.
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