Lizenz zum Kuessen
sie. »Komm, wir nehmen ein Taxi.«
Als sie in die Klinik zurückkamen, wartete Laura schon auf sie. Unruhig trat sie von einem Fuß auf den andern.
»Was bin ich froh, dass Ihnen nichts passiert ist!«, rief sie. Ihre Frisur war vorhin etwas in Unordnung geraten, und Nikki beobachtete die Gattin des Botschafters dabei, wie sie nun gedankenverloren und mit geübter Hand Haar und Tuch richtete, bis beides wieder tadellos saß.
»Konnten Sie den Angreifer fassen?«, fragte sie mit einem
Lächeln, nachdem zumindest die äußere Ordnung wieder hergestellt war.
»Nein, ähm … tut uns leid«, stammelte Nikki und schämte sich für ihr Versagen. Das hier war viel schlimmer, als von Mrs Boyer zur Schnecke gemacht zu werden. Sie schienen Lauras letzte Hoffnung zu sein, und Nikki hatte noch nie zuvor etwas verbockt, das jemandem so wichtig gewesen wäre. »Wir haben ihn hinter einem Elefanten verloren.«
»Oh«, machte Laura und nickte, als wäre damit alles geklärt.
»Der Krankenpfleger«, sagte Nikki. »Wissen Sie, wer das war?«
»Ja«, antwortete Laura und nickte wieder. »Das war Amein. Er arbeitet schon sehr lange hier. Ich kann mir nicht erklären, warum er weggelaufen ist.«
»Er ist weggelaufen, weil Sie ihn angeschrien haben«, sagte Val in einem Ton, der fast schon beleidigend war. »Warum haben Sie ihn angeschrien?«
»Er kam aus Lawans Büro. Und er hat diesem Mann etwas gegeben. Unbefugte haben keinen Zutritt zur Klinik. Irgendetwas stimmte da nicht.« Laura tat sich sichtlich schwer, etwas zu erklären, das eine rein instinktive Reaktion gewesen war.
»Ich fand es auch ziemlich verdächtig«, bemerkte Nikki.
Laura wurde wieder zuversichtlicher und straffte die Schultern. »Ja, nicht wahr? Und sie sind weggelaufen. Hätten sie nichts zu verbergen gehabt, wären sie nicht weggelaufen.«
»Im Zweifel immer gegen den Angeklagten«, sagte Val süffisant und ging an Laura vorbei zu Lawans Büro.
»Noch haben wir keine sicheren Fakten«, meinte Nikki, um einen versöhnlicheren Ton bemüht.
»Wir sind hier in Thailand«, sagte Laura. »Fakten sind …« Sie zuckte die Achseln. »Es ist wie mein lieber James immer sagt: ›Fakten sind auch nicht immer das, was sie zu sein scheinen.‹ Man muss seinem Instinkt vertrauen.«
»Ist es das, worauf es in der Diplomatie ankommt?«, fragte Nikki. Sie wollte versuchen, Laura von Val abzulenken. Mit Vals Geduld für die Gattin des Botschafters war es offensichtlich nicht weit her. »Seinem Instinkt vertrauen?«
»Nein«, erwiderte Laura. »In der Diplomatie kommt es darauf an, geeignete Fakten zu finden, um zu rechtfertigen, was bereits geschehen ist.«
Val schnaubte verächtlich. »In der Tat.« Sie öffnete die Tür zu Lawans Büro und machte das Licht an. »Dann wollen wir mal ein paar Fakten suchen, die es rechtfertigen, dass wir einen verdächtigen Mann durch die halbe Stadt gejagt haben.«
Es war ein kleines Büro - ein quadratischer Raum mit kahlen Betonwänden. Das Mobiliar war spärlich. Ein Schreibtisch aus einem Metallgestell und einer Furnierplatte stand direkt gegenüber der Tür, dahinter ein Stuhl, ein weiterer, leicht gepolsterter davor. Rechts der Tür eine Bank mit nur einem Kissen darauf, dafür einem Stapel Ordner, wo die anderen Kissen hätten sein sollen. Drei Bücherregale nahmen die linke Wand ein, darin Berge von Papier, Krimskrams sowie ein Wasserkrug und einige Gläser. Hinter dem Schreibtisch standen unter den hohen Fenstern zwei große Aktenschränke. In eine der Fensteröffnungen waren die auf der Bank fehlenden Kissen gestopft worden.
»Ist es schon durchsucht worden?«, fragte Nikki und ließ ihren Blick über das Chaos schweifen. Ihre Hoffnung auf eine systematische Suche, aus der sich systematische Schlüsse ziehen ließen, schwand dahin. Entgeistert starrte sie auf die Kissen vor dem Fenster.
»Die Sonne«, sagte Val und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. »Blendet«, fügte sie erklärend hinzu und zeigte vom Fenster auf den Computer.
»Normalerweise sieht es nicht so unordentlich aus«, sagte Laura schnell. Der Zustand des Büros schien ihr peinlich zu sein, und sie begann, ein bisschen aufzuräumen und Aktenstapel beiseitezuschieben, damit sie sich setzen konnten. »Wie es aussieht, war sie gerade mitten in einem neuen Projekt, als sie verschwunden ist.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Val und fing an, Schubladen aufzuziehen. Ihre raschen, scheinbar beiläufigen Bewegungen erinnerten Nikki daran, wie routiniert Val
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